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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Schulterblätter, Ischias oder Bandscheibenvorfall.
    Bisher hatte ich angenommen, nur meinem Vergnügen zu leben, aber mit Zeds Vergnügungssucht konnte ich nicht mithalten. Sie redete nur, wenn es unbedingt sein musste und ihr das Hupen, Pfeifen, Grapschen oder Küssen nicht mehr ausreichte. Routinemäßig ließ sie sich neue Implantate einbauen, wann immer ihr danach war – zum Beispiel als sie Lust hatte, völlig nackt einen Weltraumspaziergang zu unternehmen. Einen ganzen Nachmittag brachte sie deshalb damit zu, sich mit Unterhautpanzern und eisernen Lungen ausstatten zu lassen. Jeden Tag verliebte ich mich hundertmal aufs Neue in sie, doch mindestens doppelt so oft hätte ich sie am liebsten erwürgt. Während ihres zweitägigen Weltraumspaziergangs schwebte sie ständig um die Kugel herum und schnitt vor der verspiegelten Außenfläche blöde Grimassen. Sie konnte mich von draußen zwar nicht erkennen, ging jedoch davon aus, dass ich ihr zusah – jedenfalls nahm ich es an. Vielleicht
schnitt sie die Grimassen aber auch einfach nur so, aus Spaß an der Freud.
    Schließlich kehrte sie durch die Luke zurück, fremdartig und ohne ein Wort zu sagen, in den Augen noch den Glanz der Sterne. Auf ihrer metallischen Haut war noch der kühle Hauch des leeren Raums zu spüren. Sofort verführte sie mich zu einer neckischen Verfolgungsjagd quer durch die Station – durch die Messe, wo wir hemmungslos durch wabbligen Reispudding schlitterten, durch die Treibhäuser, wo sie wie ein Erdhörnchen Löcher grub und wie ein Äffchen herumkletterte, durch die Wohnquartiere und Kugeln, wo wir tausend Pärchen beim Geschlechtsakt störten.
    Es lag auf der Hand, dass wir uns am Ende der Jagd ebenfalls dieser Art von Vergnügen hingeben würden. Ehrlich gesagt, rechnete ich fest damit, als wir das Spielchen begannen, das sich schnell in ein Hindernisrennen verwandelte. Doch Fehlanzeige. Denn mittendrin kamen mir alle fleischlichen Begierden abhanden und ich kehrte in einen Zustand kindlicher Unschuld zurück, genoss nur noch die wilde Jagd und den Spaß, wenn Zed ein neues, noch verrückteres Hindernis entdeckte, das wir umkurven konnten. Ich glaube, auf der Station wurden wir zur Legende. Wir waren das verrückte Paar, das ständig irgendwo auf-und sofort wieder abtauchte. Für die Leute mussten
wir wie zwei splitterfasernackte Marx-Brüder wirken – genauer gesagt: Marx-Geschwister unterschiedlichen Geschlechts –, die uneingeladen mitten in eine Party platzten.
    Als ich sie fragte, ob sie mich heiraten, mit mir auf die Erde zurückkehren und bis ans Ende aller Tage zusammenleben wolle, lachte sie nur, zwickte mich in die Nase und den Johannes und rief: »MIT DIR KÖNNTE ICH’S WIRKLICH MAL PROBIEREN! «
    Ich nahm sie mit nach Toronto, wo wir uns zehn Stockwerke unter der Erde in einer überfüllten Unterkunft für Universitätsangestellte einrichteten, denn auf der Erde war unser Woppel nicht gerade berauschend. Außerdem fühlte sie sich in den endlosen Korridoren dieses Baus gleich wie zu Hause und hatte reichlich Gelegenheit, Unfug zu treiben.
    Nach und nach schränkte sie ihren Schabernack ein und redete häufiger mit mir. Ich muss zugeben, dass ich anfangs erleichtert war, froh darüber, dass meine seltsame, schweigsame Frau sich endlich normal verhielt und sich sogar mit den Nachbarn anfreundete, statt ihnen dauernd Streiche zu spielen, sie irgendwo zu zwicken, in den Hintern zu treten oder mit Wasserpistolen zu beschießen. Unsere Hindernisläufe gaben wir auf. Bald darauf ließ sie sich die flexiblen Kniegelenke und das Fell entfernen und legte sich braune Augen
zu, die so warm und durchschaubar wirkten, wie die silbrigen Augen einmal kühl und unergründlich gewirkt hatten.
    Wir trugen Kleidung. Wir luden Gäste ein. Ich begann meine Symphonie in Konzertsälen und Parks mit niedrigem Woppel-Faktor aufzuführen und engagierte dafür jeden Musiker, den ich auftreiben konnte. Zed kam dazu, spielte jedoch nicht, sondern saß einfach an der Seite und lächelte unentwegt, ein Lächeln, das nie über das Verziehen der Lippen hinausreichte.
    Sie wurde verrückt.
    Sie besudelte sich, riss sich die Haare aus, ritzte sich mit Messern. Warf mir vor, ich wolle sie umbringen, legte in den Wohnungen der Nachbarn Feuer, hüllte sich in Plastikfolie, rieb sich an den Möbeln.
    Sie wurde verrückt und drückte den Wahnsinn in breiten Strichen aus, bemalte die Wände unseres Schlafzimmers mit ihrem Blut, hielt mich die ganze Nacht über

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