Bacons Finsternis: Roman (German Edition)
aus seinem Besitz an Museen verliehen. Nun hat er alles seinem Sohn Ludwig vermacht, einem Playboy, der einen Goya nicht von einem Van Gogh unterscheiden kann. Der hat die Bilder vom Haus seines Vaters in die Hamburger Speicherstadt transportieren lassen. Sie lagern jetzt auf einer Art Dachboden, weil dort angeblich optimale Bedingungen herrschen. Ludwig Ribbeck will die Bilder so rasch wie möglich loswerden. Es heißt, er will sie nach London schaffen und bei Sotheby’s versteigern lassen.«
»Ist das denn legal?«
»Natürlich nicht. Aber diese Leute haben so viel Geld, dass Rechtmäßigkeit keine Rolle mehr spielt. Und Sotheby’s war, wenn es um geschmuggelte Ware ging, noch nie zimperlich.«
»Ich verstehe allerdings noch immer nicht«, sagte ich, »was das alles mit Lohmeier zu tun hat. Nur weil sie beide aus Hamburg …«
»Es gibt ein Gerücht«, unterbrach mich Maia. »Ribbeck soll ein Bild von Francis Bacon in seiner Sammlung haben. Eines, das noch nie öffentlich gezeigt worden ist.«
»Hat Thomas es gesehen?«, fragte ich.
»Leider nein«, sagte Maia. »Auch von seinen Freunden und Kollegen hat nie jemand die Sammlung Ribbeck gesehen.«
»Also ein Hirngespinst«, sagte ich.
»Vielleicht. Aber das Gerücht hält sich hartnäckig. Besonders in der kriminellen Szene. Ein Spezialist für private Kunstschätze hat vor ein paar Jahren versucht, in Ribbecks Haus einzudringen. Es gelang ihm, die Alarmanlage abzuschalten. Er war schon drin. Unglücklicherweise war ihm entgangen, dass das Haus über ein zweites Alarmsystem verfügte. Als die Sirenen losgingen, konnte der Mann gerade noch flüchten. Aber er hatte es zuvor geschafft, einen Blick auf die Bilder zu werfen. Er schwor, einen echten Bacon gesehen zu haben.«
»Der Einbrecher war also ein Kenner?«
»Er gilt sogar als fundierter Experte, sagt Thomas. Keine Seltenheit in der Branche.«
»Was genau will er gesehen haben?«
»Ein Porträt. Ein Kleinformat. Könnte auch die mittlere Tafel eines verschollenen Triptychons sein. Das Gesicht ist frontal abgebildet. Vor einem scharlachroten Hintergrund.«
»Und der Porträtierte ist …«
»Ohne Zweifel Lucian Freud, ja.«
»Was heißt ohne Zweifel? Das Ganze klingt doch nach aufgelegtem Schwindel. Ein Ganovenmärchen, von einem Ohr ins nächste geflüstert. In jedem Kopf wird es größer. Am Ende platzt es, und nichts bleibt übrig.«
»Kann sein«, sagte Maia, »aber aus dem Mund von Thomas klang es recht überzeugend.«
»Warum erzählt er dir eigentlich das alles? Das sind doch Informationen, die er nicht weitergeben dürfte.«
»Er ist nicht mehr bei Scotland Yard. Als Privatmann …«
»… ist er in dich verliebt.«
Maia lachte.
»Seit wann kümmert es dich denn«, fragte sie, »wer in mich verliebt ist?«
Ich atmete tief durch. Maia nahm ihr Notizbuch vom Tisch und steckte es zurück in ihre Reisetasche.
»Nehmen wir mal an«, sagte ich, »dass an der Geschichte was dran ist. Dann müsste Lohmeier das Porträt so rasch wie möglich an sich bringen , bevor es auf Nimmerwiedersehen nach London transportiert wird.«
»Genau das wird er tun«, sagte Maia. »Es sei denn, wir kommen ihm zuvor.«
»Wie meinst du das?«
»Warst du schon mal in Hamburg?«
Sieben
Das Tempo, das Maia vorlegte, war aberwitzig. Sie verschwand kurz in ihrem Büro und kam mit dem Firmenlaptop zurück.
»Los geht’s«, sagte sie.
»Was hast du vor?«
»Na was wohl? Ich buche uns Flüge.«
»Flüge?« Ich war noch etwas schwer von Begriff.
»Willst du lieber mit dem Zug nach Hamburg fahren?«
»Ich will nirgendwo hinfahren«, sagte ich leise.
»Da«, sagte Maia ungerührt, »ich hab was. Ab Wien morgen fünfzehn Uhr dreißig. Hamburg an siebzehn Uhr. Der einzige Direktflug. Den nehmen wir.«
»Morgen?«, rief ich. »Du bist doch gerade erst angekommen.« Ich zeigte auf ihre vollgepackte Reisetasche, als bräuchte ich Beweise für meine Behauptung. »Mir geht das alles zu schnell. Können wir nicht wenigstens noch einen Tag …«
»Nein«, sagte Maia. »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Oder willst du, dass Lohmeier den Bacon bekommt?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Gut«, sagte Maia. »Was hältst du von diesem Hotel?«
Ich beugte mich über den Bildschirm und sah ein geschmackvolles Haus an der Alster. Es hieß Bellevue .
»Entspricht es deinen gehobenen Ansprüchen? Fein. Dann schicke ich jetzt die Reservierung ab. Einverstanden?«
Ich nickte. Ich hatte keine Wahl. Maia war nicht
Weitere Kostenlose Bücher