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Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Bacons Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Steiner
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nett hier«, sagte ich.
    »Setz dich mal hin.«
    Ich ließ mir vom Kellner den für uns reservierten Tisch zeigen und nahm Platz.
    War gar nicht leicht. Die Stühle waren so niedrig, dass sich meine Knie beinahe auf Augenhöhe befanden. Ich musste die Beine auseinanderdrücken, um sie unter der niedrigen Tischfläche verstauen zu können.
    »Verstehe«, sagte ich.
    »Bei dir geht’s ja noch«, sagte Maia, »aber bei Thomas …«
     
    Die Tür flog auf, Thomas trat herein, und alle drehten sich zu ihm hin. Er hatte Sinn für theatralische Effekte, das musste man ihm lassen. Schon in seiner Kleidung spürte man seinen Hang zur Ironie. Das Tweedsakko entsprach noch seinem Status; es war ein klassisch geschnittenes Stück und sicher nicht billig. Die Hose hingegen sah aus, als wäre er gerade von einem Punkkonzert gekommen: schwarze Jeans mit Rissen, die sich quer über die Schenkel zogen. Seine Füße steckten in spitzen schwarzen Stiefeln. Über dem rechten Arm trug er trotz des sonnigen Wetters einen Regenmantel.
    Er war eine stattliche Erscheinung: mindestens so groß wie ich, aber mit einem gewaltigen Kugelbauch, der sich weit über den Gürtel wölbte und von den Knöpfen seines Maßhemdes gerade noch gehalten werden konnte. Es musste in Cambridge doch Plätze für Bodenständiges und Raffiniertes geben.
    Die Üppigkeit beschränkte sich aber auf seine Körpermitte. Seine Beine waren lang und schlank, sein Gesicht war ebenmäßig geformt; die blitzenden hellblauen Augen und die feinen Lachfältchen ließen ihn jünger aussehen, als er war.
    Er stellte seine Reisetasche ab, beugte den Oberkörper nach vorne, griff nach Maias Hand und hauchte einen Kuss darauf, ohne Berührung. Dann musste er lachen, und sie umarmten sich.
    Sein Lachen kam aus der Tiefe seines mächtigen Leibes, es stieg aus ihm hoch wie eine Eruption, sein ganzer Körper wurde durchgeschüttelt. Es hatte einen vollen, warmen Klang, und es gelang mir nicht, mich seiner Anziehungskraft zu entziehen.
    »Oh«, sagte er mit einem Blick auf unseren Tisch, »wir essen in einer Puppenstube. Was für eine reizende Idee. Sind die Teller auch für Puppen?«
    Über Maias Gesicht huschte ein Anflug von Röte. »Die Portionen werden dich versöhnen. Das ist übrigens Arthur Valentin, mein Kompagnon.«
    »Viel von Ihnen gehört«, sagte Thomas und streckte mir seine Hand entgegen.
    Es dauerte eine Weile, bis er seinen Körper in eine Position gebracht hatte, die es ihm ermöglichen würde, halbwegs komfortabel zu essen. Er griff sich die Speisekarte und las sie mit einer Gründlichkeit, als hätte er die Arbeit eines seiner Studenten zu beurteilen. Währenddessen schnalzte er hin und wieder mit der Zunge.
    Schließlich klappte er die Karte zu und sagte zu mir: »Nach allem, was mir Maia am Telefon erzählt hat, habe ich Sie auf eine falsche Fährte gesetzt. Das tut mir leid. Aber ich war selbst überrascht, als ich von der Verhaftung erfuhr.«
    »Kennst du denn diesen Peter T.?«, fragte Maia.
    »Ich hab dir sogar schon von ihm erzählt. Der Mann, der in Ribbecks Haus einbrach und um ein Haar gefasst worden wäre.«
    »Der Kunstkenner?«, fragte Maia.
    Thomas nickte. »Peter Toby. Ehemaliger Angestellter der Wallace Gallery. Seine Begabung als Kunstexperte ist weit ausgeprägter als seine Geschicklichkeit auf kriminellem Gebiet.«
    Der Kellner kam an unseren Tisch und zückte seinen Block. Thomas bestellte Spanferkelsulz mit Linsenvinaigrette und Wildschweinbraten mit böhmischen Knödeln. »Für den Anfang.« Dann verschränkte er die Arme vor der Brust, musterte uns und begann zu lachen.
    »Ihr wart also tatsächlich da drin.«
    »Klar«, sagte Maia stolz.
    »Was hättet ihr gemacht, wenn ihr nicht entdeckt hättet, dass der Bacon eine Fälschung ist?«
    »Nichts, natürlich«, sagte ich schnell. Dass Maia Thomas offenbar alles erzählt hatte, gefiel mir gar nicht.
    »Natürlich«, sagte Thomas und drückte kurz Maias Hand. Seine Finger waren schlank und feingliedrig, wie man es bei einem Mann seiner Leibesfülle nicht vermutet hätte. Maia lächelte und schwieg.
    »Warum«, fragte ich in die Stille hinein, »haben Sie eigentlich Ihren Polizeidienst quittiert? Leiter des Kunstdezernats bei Scotland Yard, das wirft man doch nicht so einfach hin?«
    Damit fing ich mir einen strafenden Blick von Maia ein, aber Thomas reagierte gelassen. »Vermutlich, weil mich zunehmend das Gefühl beschlichen hatte, nicht mehr auf der richtigen Seite zu stehen.«
    Thomas bekam

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