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Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Bacons Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Steiner
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seinen ersten Gang, und seine Miene hellte sich auf.
    »Was gedenkt ihr denn jetzt zu unternehmen?«
    »Lohmeier sucht ein anderes Bild, so viel ist klar«, sagte Maia. »Mich würde brennend interessieren, welches. Glaubst du, es gibt ein weiteres Porträt von Bacon, von dem wir nichts wissen?«
    Thomas legte die Gabel zur Seite, tupfte sich mit der Stoffserviette die Mundwinkel ab und schaute mich an.
    »Verzeihen Sie meine Indiskretion, aber was genau haben Sie in der Tate gehört?«
    » Lucian und Francis , hat Lohmeier gesagt. Porträt von Bacon . Und von Isabel hörte ich das Wort verschollen .«
    Thomas betrachtete die Hinterglasbilder an der Wand. Vier Frauenporträts. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Definitiv nichts für Sotheby’s.
    »Wir gingen bisher immer davon aus, dass es sich um ein Gemälde handeln muss«, sagte er endlich, »das Francis Bacon geschaffen hat, und das Lucian Freud zeigt. Vielleicht war das der Denkfehler.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Maia.
    »Nun, es könnte sich doch auch um ein Porträt handeln, das Francis Bacon abbildet. Gemalt von Lucian Freud.«
    »Durchaus denkbar«, sagte ich. »Gesetzt den Fall, es wäre so: Würde uns das denn weiterhelfen?«
    »Na ja«, sagte Thomas, »es würde jedenfalls den Verdacht nahelegen, dass es sich um ein bestimmtes Bild handelt. Ein sehr berühmtes Bild. Ein kleines Porträt, nicht viel größer als eine Postkarte, das Lucian Freud 1952 gemalt hat. Öl auf Kupfer. Bacon ist ihm Modell gesessen, Knie an Knie, über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg.«
    »Aber wenn es so berühmt ist«, sagte Maia, »muss man doch wissen, wo es hängt.«
    »Eben nicht. Es war Teil einer großen Freud-Retrospektive, die vom British Council und der Tate organisiert worden war. Die erste umfassende Werkschau außerhalb Großbritanniens. Sie ging nach Washington, Paris und Berlin. Und in der Neuen Nationalgalerie Berlin ist es dann passiert. Am 27. Mai 1988.«
    »Gestohlen?«, fragte Maia.
    Thomas nickte. »Einfach von der Wand geschraubt. Am helllichten Tag.«
    »Und Sie waren natürlich in die Ermittlungen eingebunden«, sagte ich. Es sollte nicht ironisch klingen.
    »Ich habe sie geleitet«, sagte Thomas. »Leider ohne Erfolg. Es stellte sich heraus, dass es kein Überwachungsvideo, keine Personenbeschreibungen und kein Alarmsystem gab. Der Mann hatte sich einfach vor das Bild gestellt, einen Schraubenzieher gezückt und es losgeschraubt. Die Museumsbesucher und selbst das Wachpersonal hatten ihn für einen autorisierten Mitarbeiter der Nationalgalerie gehalten.«
    »Gab es denn in all den Jahren nie eine Spur?«, fragte Maia. »Der Dieb muss doch versucht haben, das Bild irgendwie zu Geld zu machen.«
    »Nein«, sagte Thomas. »Es gab nicht die geringsten Hinweise. Lucian Freud hat später sogar versucht, den Täter direkt anzusprechen. Ein Jahr vor seiner großen Tate-Retrospektive 2002 ließ er in Berlin 2500 Plakate affichieren. Sie sahen aus wie Steckbriefe. Über dem Porträt seines Freundes stand in großen roten Buchstaben WANTED. Als Belohnung wurden 300000 Deutsche Mark versprochen. Und absolute Vertraulichkeit. Die letzte Zeile des Steckbriefs war eine Telefonnummer. Wer dort anrief, wurde direkt zu den Ermittlern nach London durchgeschaltet.«
    Thomas lehnte sich zurück, was dem Stuhl unter ihm ächzende Geräusche entlockte.
    »Ich nehme an, ohne nennenswertes Ergebnis«, sagte ich und versuchte mein rechtes Knie vom Druck der Tischkante zu befreien, bevor die Blutzufuhr in Wade und Fuß endgültig unterbunden war.
    »Kommt darauf an, was man darunter versteht«, sagte Thomas. »Ein Hotelier aus Cornwall rief an. Er meldete, dass die gesuchte Person gerade in seinem Haus abgestiegen sei. Zu diesem Zeitpunkt war Bacon schon neun Jahre tot. Wenn das kein nennenswertes Ergebnis ist.«
    Maia lachte und trank einen Schluck von dem Altbrünner Pilsener, mit dem wir hier verwöhnt wurden.
    »Das Bild ist also bis heute verschollen?«
    »So ist es. Wenn Lohmeier tatsächlich weiß, wo es sich befindet, wäre das eine richtig große Sache.«
    »Ich habe«, sagte ich vorsichtig, »in Hamburg Isabel wiedergetroffen.« Thomas hob eine Braue. Das hatte ihm Maia also nicht erzählt.
    »Ich habe den Fehler gemacht, sie auf Lohmeier anzusprechen. Es war ein Desaster.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte Thomas. »Sie wird ihn mit Zähnen und Klauen verteidigt haben.«
    »Sie gab aber zu, dass er auf der Suche nach einem bestimmten Bild ist.

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