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Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Bacons Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Bacons Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Steiner
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leider nur Germanist«, sagte ich. »Ein Sklave der Literatur.« Zu dick aufgetragen, das war mir sofort klar. Zu spät. Isabel musterte mich kurz und lächelte nicht.
    »Hast du denn selbst schon Bücher geschrieben?«
    »Eines«, sagte ich. »Aber eigentlich ist es kein Buch, sondern eine Doktorarbeit. Über vier bis fünf Leser ist es nicht hinausgekommen.«
    »Vielleicht werde ich ja die sechste«, sagte Isabel. »Verrätst du mir, wie es heißt?«
    »Die Aspirintablette« , sagte ich.
    »Wie?«
    »Die Aspirintablette.« Ich schluckte. »Mondmetaphern in der deutschsprachigen Prosa nach 1945.«
    Isabel warf den Kopf in den Nacken und lachte so ungebärdig, dass sich ein Radfahrer nach uns umdrehte.
     
    Wir setzten uns auf eine Bank. Ich versuchte sie nicht unentwegt anzustarren, was mir nicht leichtfiel. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen. Ihre nackten Füße steckten in grünen Turnschuhen. So sah ich zum ersten Mal Isabels Grün. Beim Anblick ihres linken Knöchels fiel ich in eine Art Trance. Ich kam mir vor wie Parzival beim Betrachten des blutenden Raben im Schnee (oder war es eine Krähe?). Um Himmels willen, dachte ich, wenn mich ihre Knöchel schon so fertigmachen, wie soll das weitergehen? Falls es weiterging.
    »Bist du noch da?«, fragte Isabel nach einer Weile. Es konnten Sekunden, aber auch Minuten gewesen sein.
    »Entschuldige«, sagte ich.
    »Denkst du an deine Arbeit?«
    »Ja«, sagte ich.
    Sie beugte sich nach vorne und suchte nach etwas. Auf der Rückseite ihres T-Shirts leuchteten silberne Schriftzüge.
    »Autogramme von der Band?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte sie stolz. »Ich war in London backstage, bei einem Konzert im Marquee Club .«
    Sie griff nach einem Stein und warf ihn in hohem Bogen ins Wasser.
    »Sind wirklich nette Jungs«, sagte sie.
     
    Abends saßen wir auf der Veranda des Zimmers, das Isabel während ihres Ferienaufenthalts bewohnte. Auf dem Holzboden standen zwei Korbsessel, eine Sitzbank und ein ovaler Couchtisch, über den Isabel ein weißes Tuch gebreitet hatte. Wir tranken steirischen Morillon aus langstieligen Gläsern. Vor uns standen große Porzellanteller mit Parmaschinken, Melonen, Käse und schwarzen Oliven, aber ich war viel zu nervös, um zu essen. Ab und zu schob ich mir aus purer Höflichkeit eine Olive in den Mund.
    Aus einem schwarzviolett schimmernden Hügelrücken am gegenüberliegenden Seeufer wuchs eine funkelnde hellgelbe Scheibe. Isabel zeigte mit dem Glas in ihre Richtung. »Da«, sagte sie, »was würden deine Mondanbeter dazu sagen?«
    »Zum Beispiel das: Die schwarze Pfanne der Nacht: 1     Spiegelei drin gebraten. Blaßgelber Dotter, wabbliges Wolkenweiß. Wind zischte fett: Mond der Köchinnen.«
    Ich lehnte mich zurück und ließ ein paar Sekunden verstreichen. Dann fügte ich noch hinzu: »Stammt vom unvergleichlichen Arno Schmidt.«
    Isabel legte den Kopf schief und betrachtete den Mond, als müsste sie die Tauglichkeit des Bildes anhand des Vorbilds überprüfen.
    »Wirklich sehr schön«, sagte sie und legte für einen Augenblick ihre Hand auf meinen Arm. Ein Schauer lief durch mich hindurch. »Weißt du noch andere?«
    »Dem Mond«, sagte ich kühn, »fiel eine schwarze Kappe übers Piratenauge, gleich formten sich darunter zwei Wolkenknochen.«
    Isabel schloss die Augen und schüttelte langsam den Kopf.
    »Wolkenknochen«, sagte sie, »nein, das funktioniert nicht. Außerdem gibt’s auf der Piratenflagge keine Augenklappe. Auch von deinem Schmidt?«
    »Nein«, sagte ich kleinlaut. »Ist mir gerade selbst eingefallen.«
    Isabel lachte, boxte mich sacht in die Schulter und stand auf.
    »Hilf mir mal«, sagte sie.
    Wir schleppten zwei Boxen vom Wohnzimmer auf die Veranda. Isabel zeigte mir das Cover einer Platte, auf dem ein halbnackter schwitzender Mann versuchte, sich einen Mikrophonständer in die Hose zu schieben. »Ein Bootleg«, sagte sie stolz, »von einem Konzert in Boston, das noch nicht einmal einen Monat her ist. Eine echte Rarität.«
    »Toll«, sagte ich und setzte mich wieder in den Korbsessel. Mir schwante nichts Gutes. Isabel brachte Teelichter und noch eine Flasche Weißwein aus der Küche. Als das Gitarrengewitter losbrach und ich zum ersten Mal Iggy Pops Stimme hörte, war ich sofort elektrisiert. Diese Art von Musik war in meinem bisherigen Leben nicht vorgekommen.
    »Nicht schlecht, die Aufnahme, findest du nicht?«, fragte Isabel. Sie stand hinter mir und massierte mit den Daumen meine verspannten

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