BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
reihten sich aneinander, bis eine halbe Stunde daraus wurde, in der Maniilaq und der Junge nichts anderes taten, als starr dazusitzen und den Nackten im Blick zu behalten.
Dann hob ein schauerliches Stöhnen an, wie das eines Mannes, der schwerste Arbeit zu verrichten hatten. Es wehte gespenstisch durch die Hütte, und obwohl Tattu es ausstoßen musste, schien es von überall her zu kommen. Als wäre alles um sie herum zu Leben erwacht.
Doch das war erst der Anfang.
Der Vampir veränderte sich.
Erst sah es wie eine Täuschung aus, hervorgerufen vielleicht vom Spiel von Licht und Schatten. Der gebeugte Rücken Tattus begann sich zu bewegen. Als wäre etwas unter seiner Haut, etwas, das sich sammelte und schließlich vereinte, zusammenballte – und wuchs! Wie eine Geschwulst wucherte es unter der Haut des Vampirs, blähte sich pulsierend, und ein seltsames Knirschen war zu hören, als die Haut sich auf unmögliche Weise dehnte, so sehr, dass sie platzen musste.
Was sie schließlich auch tat.
Entlang des Rückgrats schnappte die bleiche Haut auf wie an einer Naht und entließ, was darunter gewuchert war.
Ein eiförmiges Gebilde, schleimig und von dunklen Adern überzogen.
Eine Sekunde lang lag es noch auf Tattus Rücken, dann rollte es herab und landete mit einem feuchten Laut auf dem Boden.
Ein dumpfes Pochen füllte die Hütte.
Die Wunde des Vampirs schloss sich, als würden unsichtbare Hände die Hautlappen zusammenpressen, bis sie wieder miteinander verwuchsen.
Dann erhob der Nackte sich, um sich zwischen dem Schamanen und dem Jungen niederzulassen. Er wies auf das, was er geboren hatte.
»Darin schläft mein Bruder. Eure Aufgabe soll es sein, ihn zu hüten«, erklärte er, und die beiden nickten stumm.
Der Vampir fuhr an Maniilaq gewandt fort: »Gibt es mehr von deiner Art an diesem Ort?«
»Von meiner Art?«
»Menschen, die zu glauben bereit sind«, präzisierte Tattu.
Der Schamane nickte. »Die Alten glauben an jene Dinge, die einst Bestand hatten. Die Jungen lachen nur noch darüber.«
Maniilaq ließ den schleimglänzenden, pulsierenden Kokon nicht aus den Augen, während er antwortete. Die Faszination schien ihm ein paar der Jahre, die auf ihm lasteten, zu nehmen, seine Züge schienen sich ein klein wenig zu glätten.
»Holt sie herbei«, befahl der Vampir. »Sie sollen die Diener der neuen Götter werden.«
»Es wird ihnen eine Ehre sein«, hauchte Maniilaq. Dann sah er zu Benji hin. »Geh, Junge, hole die Alten des Dorfes. Sag ihnen, dass die Zeit von neuem beginnt.«
Der Junge stand auf und wollte hinausgehen, um zu tun, wie ihm geheißen ward. Doch der Vampir hielt ihn an der Hand zurück und zwang ihn zu sich herab. Er umfasste Benjis Nacken und zog ihn näher. Dann öffnete er das Maul und senkte seine Zähne in die Schlagader des Jungen, um daraus zu trinken, viel mehr aber noch, um etwas hinein zu pflanzen.
Als er von ihm abließ, hatte sich der Ausdruck in Benjis Gesicht abermals verändert.
Das Lächeln war noch da, aber es sah aus wie aufgemalt. Und der Glanz in seinen Augen war trübe geworden.
»Nun geh«, sagte der Vampir.
»Ja, Herr«, erwiderte der Junge und verschwand.
»Was war das?«, wollte Maniilaq wissen.
Der Vampir lächelte grausam.
»Sicher ist sicher.«
Verwesungsgestank schlug über Sardon zusammen wie eine Woge, als die Dienerkreaturen näher rückten. Sie taten es steif und ungelenk, dennoch verrieten ihre Bewegungen eine Kraft, über die sie als Menschen gewiss nicht verfügt hatten.
Aber es war nicht die Gefahr, die für ihn in dieser kollektiven Bewegung lag, die Sardon entsetzte. Sondern die Tatsache, dass sich auch die Diener dieser neuen Rasse um so vieles von denen der Alten unterschieden.
Er sah sich tumben Kreaturen gegenüber, die den Funken Leben, der ihnen geschenkt worden war, nicht wert waren. Sie waren zu nichts nutze. Mit Hilfe solcher Gestalten war die Stellung der Alten Rasse nicht zu festigen. Es war undenkbar, sie an verantwortlichen Positionen im Machtgefüge der Welt einzusetzen.
Die Diener des Homunkulus waren – Zombies. Nichts weiter.
Ihn zu töten hatte ihr Herr ihnen befohlen.
Und sie gehorchten.
Oder wollten es zumindest.
Sardon trat ein paar Schritte zur Seite; nicht um zu flüchten, sondern um mehr Raum zu haben. Dann erwartete er die Angreifer in kalter Gelassenheit, während der Retorten-Vampir selbst unverändert stehenblieb und beobachtete. Er hatte offensichtlich keine Ahnung, gegen
wen
er seine
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