BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
ihnen nicht genommen worden war, weil es ihnen nicht genommen werden
konnte
, das einzige, was sie aus ihrer nie vergessenen Heimat mit in die Fremde gebracht hatten, war ihr Glaube gewesen. Ihre unersättlichen Götter.
Legba, Kokou, Egungun, Sango...
Isaak Germains Blick schweifte vom Gesicht des Opfers hin zu der noch leeren Kalebasse, die bald mit Aimees Blut gefüllt sein würde. Blut, das durch die Kehle eines jeden Voodoosi rinnen sollte.
Ein einziger Tropfen genügte zur Erneuerung des Schutzes.
Und wie stets in den vergangenen Monaten und Jahren würde der Leib des Opfers am Ende der Feier verschwunden sein. Und dort, wo man ihn gefesselt und zu duldsamem Schweigen verurteilt hatte, würde nur noch ein kleiner Haufen amorphen Staubs liegen.
Asche?
Selbst der Grand Commandeur wusste es bis heute nicht.
Vielleicht gab es unter seiner Gemeinde den einen oder anderen Zweifler – Isaak Germain selbst jedoch war felsenfest überzeugt, dass die Magie, derer sie Zeugen wurden,
echt
war. Dass etwas von jenseits der normalen Wahrnehmungen zu ihnen kam, seine Sinne prüfend über jeden einzelnen der Anwesenden schweifen ließ und dann entschied, ob es das
Opfer
... oder die ganze Gemeinde mit sich reißen sollte ins Reich der Schatten.
In die Welt
hinter
der Welt...
Wieder krähte ein Hahn, und sein Blut sprühte über den Chor der Kinder. Kinder, die ihre Unschuld längst verloren hatten – nicht erst in dieser Stunde.
Wie Aimee.
Isaak Germains Augen fanden zu ihr zurück. Die Wachsmuster auf ihrem gertenschlanken Körper bewirkten mehr als nur spirituelle Stimulation. Er bekam eine Erektion, die allerdings unter der weiten, weißen Kutte verborgen blieb.
Wie seine eigenen Narben, die sein Vater – auch einmal Hohepriester ihres Bundes – ihm bereits in frühester Kindheit zugefügt hatte. Wunden, die sich bis in Germains Seele gegraben hatten und nie verheilen würden.
Es musste so sein.
Ohne diese wertvolle Erfahrung hätte Isaak Germain die Qualen, die er anderen zufügte, nicht so virtuos steuern können, wie er es in dieser versteckten Kirche seit so vielen Jahren tat.
Um der Bedrohung aus dem Jenseits zu entrinnen, hätte es nicht genügt, einfach den Ort ihres Wirkens zu wechseln. Für das Unaussprechliche schien es
Raum
und
Entfernung
gar nicht zu geben – vielleicht nicht einmal den Faktor
Zeit
.
Es kannte sie.
Es hatte sich jedes einzelne Muster ihrer Gedanken
gemerkt
.
Und Es verfolgte die Frevler von einst bis in jede folgende Generation hinein.
Wir sind
genetisch
verflucht
, dachte Isaak Germain vage.
Deshalb wird Aimee
es
besänftigen. Aimee ist ein so wunderbares Opfer...
Zwischen den durch die Fesselung gespreizten Beinen lag der Dolch auf dem schwarzpolierten Stein.
Die Gesänge der Gemeinde peitschten durch das Gewölbe. Peitschten auch Isaak Germain nach vorn. Drängten ihn zu tun, was getan werden musste.
Ein
Leben für viele. Das war der zur Normalität verkommene Preis, den jeder gelehrt worden war zu akzeptieren.
Die Augen des Grand Commandeurs glommen finster, als er den Oberkörper nach vorn neigte und den linken,
vom Herzen kommenden
Arm ausstreckte.
Doch bevor er aber die Hand um den Schaft der Klinge schließen konnte, geschah das Unerwartete.
Das
Unmögliche
.
NEIN!
Isaak Germain hatte das Gefühl, in flüssigen Stickstoff getaucht zu werden. Eiseskälte fraß sich wie ein lähmender Schock durch seinen Körper. Für eine Sekunde, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte, war er außerstande, auch nur einen Finger zu krümmen.
In dieser Sekunde ähnelten seine Augen denen von Aimee, die immer weiter aus den Höhlen quollen.
Übelkeit verdrehte Germains Magen. In seinem Bauch schien ein schrecklicher Kobold zu sitzen, der sich einen Spaß daraus machte, Säure aus einem Flakon in immer neue Richtungen zu sprühen. Oder glühende Nadeln in alles zu stechen, was in seiner Reichweite lag.
Voodoo?
Versuchte ein anderer Voodoosi, vielleicht ein anderer Großmeister, ihn zu attackieren?
Isaak Germain fühlte etwas wie einen Schwall Erbrochenes im Mund. Er schluckte hart. Niemand sollte bemerken, was für einen Kampf er ausfocht.
Kampf?
Es gab keine Fehde mit einem anderen Clan. Wer sollte also...?
In diesem Moment empfing er den nächsten lautlosen Schrei. Niemand sonst schien ihn zu hören.
Isaak Germain richtete sich ruckartig auf. Sein Rückgrat knirschte. Aber vielleicht bildete er sich auch das nur ein...
Um ihn herum entstand Unruhe, geboren aus
Weitere Kostenlose Bücher