Bad Dad
wie du willst mein Junge, das ist wichtig. Glücklich sollst du sein, wofür auch immer du dich entscheidest. - Ja, selbstverständlich soll er meine volle Unterstützung haben. Weder das akademische Studium werde ich einfordern, noch werde ich die Nase vor dem Einstieg in eine professionelle Karriere als Spitzenathlet rümpfen. Alles soll mir recht sein, solange mein Spross seiner wahren Berufung folgt. - Hauptsache er wird nicht Pfarrer, Kartenleger oder Kristallpendler. Dann lieber doch Eisdielenbetreiber.
Nachdem ich selbst ein eher getriebener und durchwegs künstlerischer Typ bin, und immer schon war, vermute ich, um nicht zu sagen, befürchte ich, dass der Sohnemann mal Rockstar wird. Viele Teenager träumen heute von einer Blitzkarriere als Popstar, nur um dann (im ohnedies unwahrscheinlichen Falle des flüchtigen Erfolges) ein halbes Jahr später kläglich unbeachtet in der Bedeutungslosigkeit zu verenden. Davon soll aber hier nicht die Rede sein. Ich sorge mich eher vor der echten Rockstar Karriere, die zwar Geld und Prestige verspricht, nicht selten aber deren Kreative Köpfe in persönlichen und finanziellen Ruin treibt. Klar will man seinen Nachwuchs Musikgeschichte schreiben sehen, aber nicht um jeden Preis. Oft sind unsere Idole nämlich traurige Menschen, wenn nicht sogar einsame Menschen, inmitten von Blitzlichtgewitter, Groupies und intriganten Band Kollegen. Über blutsaugende Manager will ich erst gar nicht reden. Jedenfalls hoffe ich inbrünstig, dass, wenn meinen Sohn der Weltruhm so Mitte Zwanzig ereilt, er zumindest nicht dem "Forever 27 Club" zum Opfer fällt. Damit sind all jene Musiklegenden gemeint, die mit siebenundzwanzig Jahren bereits am Höhepunkt ihre Schaffens verstarben. Dazu gehören unter anderem Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison und natürlich auch Nirvanas Curt Cobain, der in so jungen Jahren schon den Freitod wählte. Erwähnenswert im Club 27 sind auch noch schillernde Figuren wie Les Harvey, der 1972 aufgrund seiner feuchten Hände vom Mikrofon elektrisiert und auf der Stelle getötet wurde. Oder D. Boon, Kopf der Band Minutemen, der sich schlafend - von der Ladefläche eines Pickup Trucks geschleudert - auf der Böschung das Genick brach. In den Jahren 1995 bis 1999 wurden die drei Rapper Stretch, Fat Pat und Freaky Tah alle im Alter von 27 Jahren erschossen. Brian Jones von den Rolling Stones ertrank mit 27 im Swimming Pool. Roger Durham, Sänger von Bloodstone, fiel mit 27 vom Pferd. Mausetot. Die Ironie.
Doch ich will mich nicht in makaberen Rockanekdoten versteigen, deswegen zurück zu meinem heranwachsenden Supertalent und dessen Karriere, die wahrscheinlich, nach mehreren Trennungen von der Band und den obligatorischen Wiedervereinigungen, gegen Ende Dreissig noch einige tragische Wendungen nehmen wird. Schlagzeuger z. B. neigen bekanntlich berufsbedingt oft dazu im Vollrausch an ihrem eigenen Erbrochenen zu ersticken. Manchmal verschwinden sie auch nur spurlos auf Tourneen im Süden der USA. Die Presse munkelt dann meist von UFOs und "Alien Abductions". Meinen Sohn, den Frontmann einer vielfach Platin gekürten Rock-Kapelle, wird das hart treffen, worauf er, nach fast einem Jahrzehnt völliger Abstinenz, wieder Trost in der Flasche findet. Erschwerend hinzu kommt dann noch die unerwartete Scheidung, der Entzug des Sorgerechts (meine zwei Enkel) und die überraschende Nachricht über eine uneheliche Tochter in Malmö. Als wäre das nicht genug Zwist, Trauer und Frustration, werden dann im Jahr 2051 während der ausverkauften Japan-Tournee drei Musiker der Band von einem umstürzenden Tourbus erschlagen. Allesamt Bassisten die, statistisch gesehen, in der Regel ebenfalls früher das Zeitliche segnen als etwa Sänger oder Gitarristen. "DREI Bassisten?", höre ich den aufmerksamen Leser fragen, "Wie kann denn das passieren?" Nun, kurz gesagt, hintereinander. In drei aufeinanderfolgenden Wochen.
Der Tourbus wird ausgetauscht, Ersatzbassisten finden sich keine mehr. Die Presse spricht von einem Fluch, der auf der Band "Master Exploder" lastet. Ach ja, das ist übrigens der Name der Gruppe, in der mein Bub zu diesem Zeitpunkt schon über 20 Jahre spielt.
Die Tournee muss abgebrochen werden, der Kopf der Band verschwindet spurlos. Freunde und Familie befürchten das Schlimmste, hoffen aber auf ein Happy End.
Der Vater des abgängigen Rock-Idols (ich) packt seine Koffer und bereist die ganze Welt, rastlos auf der Suche nach dem verlorenen Sohn. Gerüchte,
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