Bad Fucking
ihr T-Shirt. Sie ging in die Wohnung zurück und zog die Vorhänge zu.
Der Mann mit dem Feldstecher war allerdings kein Spanner, sondern ein Schriftsteller, der seit Monaten verzweifelt nach einer Geschichte suchte. Jetzt hatte er sie endlich gefunden.
»Idiot.« Camilla legte die Waffe in den Schrank zurück und schaltete das Radio ein. In den Nachrichten wurde gemeldet, dass von der Innenministerin Maria Sperr nach wie vor jede Spur fehlte, und je weniger die Öffentlichkeit erfuhr, desto wilder wucherten die Spekulationen. Dass Sperr von
linken Chaoten
entführt worden war, wie die Boulevardpresse anfangs vermutet hatte, glaubte in der Zwischenzeit kein Mensch mehr. Wer die linke Szene kannte, wusste, dass diese für eine solche Entführung viel zu desorganisiert war. Rechte Gruppen wiederum hatten nicht den geringsten Grund, die Innenministerin zu entführen, da sie de facto deren verlängerter Arm in der Regierung war.
Auch wenn Camilla Glyck nicht Mitglied der
Sonderkommission Sperr
war, wusste sie, dass man dort in eine Richtung ermittelte, von der die Regierung hoffte, dass sie sich als Sackgasse erweisen würde. Konkret ging es um den Verdacht, dass Sperr ein Techtelmechtel mitihrem Chauffeur hatte. Das Pikante an der Sache: Ihr Chauffeur, Nicolae Petrescu, war 1989 aus Rumänien nach Österreich geflüchtet und hatte hier um politisches Asyl angesucht. Das Letzte, was die Regierung jetzt brauchen konnte, war eine rechts gerichtete Innenministerin, die ausgerechnet mit einem ehemaligen politischen Flüchtling untertauchte, um ihr spätes Liebesglück zu genießen.
Thema Nummer zwei in den Nachrichten war natürlich der Flugzeugabsturz, bei dem fünfundvierzig Mitglieder der Wiener Philharmoniker ums Leben gekommen waren. Seitens des Orchesters wurde aber bereits Entwarnung gegeben, da man aufgrund der dreifachen Besetzung sämtlicher Orchesterpositionen die Auftritte bei den Salzburger Festspielen und dem neu gegründeten Festival
Prölliade
in Radlbrunn wie geplant würde absolvieren können.
Die dritte Meldung betraf das Pogrom an mehr als zweihundert Roma und Sinti in Ungarn. Obwohl die Morde bereits vor drei Wochen von rechtsradikalen Killerbanden verübt worden waren, konnte sich die EU noch immer nicht auf Sanktionen gegen Ungarn einigen. Österreich hatte zwar unmittelbar nach den Massakern die Grenzen zu seinem Nachbarland geschlossen, allerdings nicht aus Protest gegen die dort agierenden Nazis, sondern aus Angst, dass Roma oder Sinti nach Österreich flüchten könnten.
Auch für Camilla Glyck hatte die geschlossene Grenze zu Ungarn unangenehme Folgen. Ihre Putzfrau, die zwischen Fertőszentmiklós und Wien pendelte, hatte nämlich die drei letzten Termine absagen müssen, weil sie nur mit einem Sondervisum nach Österreich hätte einreisen können. Dazu hätte Frau Horváth allerdings eineArbeitsbestätigung benötigt, die ihr aber niemand ausstellen konnte, da sie – nicht nur bei Camilla Glyck – schwarz arbeitete.
Nicht ohne Stolz wurde schließlich gemeldet, dass ein burgenländischer Metzger bei der Blutwurstweltmeisterschaft in Frankreich mit einer Sautanz-Blunze die Goldmedaille gewonnen hatte.
Camilla überlegte, ob sie den verdammten Hund, der nach wie vor wie ein Verrückter bellte, nicht doch lieber mit einer Wurst vergiften sollte. Es musste ja keine Sautanz-Blunze sein.
Auf seinem Weg nach Hause hatte Aloysius Hintersteiner das Gefühl, als würde er sich auf einem Schiff befinden. ›Ich hätte wegen dem hohen Blutdruck keinen Rotwein trinken sollen‹, ging es ihm durch den Kopf. Überhaupt ärgerte er sich, dass er die Einladung seines Sohnes angenommen hatte. ›Wäre ich ins Wirtshaus gegangen und hätte meinen Schweinsbraten gegessen und mein Bier getrunken, würde es mir jetzt besser gehen.‹ Er drosselte das Tempo und wischte sich mit dem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. In seinem Bauch begann es zu rumoren. ›Jetzt geht das schon wieder los‹, fluchte er und hoffte, bald zu Hause zu sein.
Er sehnte sich nach seinem Bett. Und dem Klo. ›Warum bin ich plötzlich so müde?‹, fragte er sich verwirrt. Er hörte die Kirchturmglocken und zählte die Schläge mit. Bei neun war Schluss. Also war er fast zwei Stunden bei seinem Sohn gewesen. ›Worüber habe ich mit ihm eigentlich gesprochen?‹ Ihm fiel nichts ein. Obwohl es noch hell war, hatte er den Eindruck, als würden die Häuser verschwimmen. ›Brauche ich schonwieder neue Augengläser oder habe ich
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