Bad Fucking
hier unten noch aushalten würde. Wenn man sie bis morgen Abend nicht fand, war es aus mit ihr. Bei der Vorstellung, hier sterben zu müssen, begann sie zu heulen. ›Ich bin siebenundzwanzig Jahre alt und kann doch nicht einfach hier in diesem verfluchten Loch zugrundegehen. Ich habe doch noch gar nicht richtig gelebt.‹
In den letzten Stunden war ihr klar geworden, dass sie sofort nach ihrer Rettung ihr Leben ändern musste. Nicht, dass ihr der Job als Cheerleader-Trainerin nichtSpaß gemacht hätte, aber irgendwie war ihr das alles zu wenig. Auch würde sie mit Greg sprechen, ob sie nicht nach Winesburg, Ohio, zurückkehren sollten. Sie würde sich um ihre krebskranke Nichte Carrie kümmern, und Greg könnte als Quarterback bei einer Footballmann-schaft spielen. Es musste ja nicht gleich die NFL sein.
Sandra warf einen Blick auf das Display ihres Handys. Es war jetzt 23 Uhr 13, was bedeutete, dass man in den nächsten Stunden nicht nach ihr suchen würde. Neuerlich kam Panik in ihr auf.
Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihre Beine. Sie stützte sich mit den Armen ab und versuchte, die Beine anzuwinkeln und aufzustehen. Aber es gelang ihr nicht, die Schmerzen waren einfach zu groß. Beim Gedanken, dass man erst bei Sonnenaufgang wieder nach ihr suchen würde, bekam sie Herzrasen. ›Und was, wenn man die Suche bereits aufgegeben hat?‹ »Hilfe, Hilfe, hier bin ich!«, schrie sie. Als Antwort hörte sie aber nur ein dumpfes Echo.
Sie starrte in die Dunkelheit, die sich in den letzten Stunden irgendwie verändert hatte. Aus der anfänglichen Schwärze war nach und nach ein dunkles Grau geworden. Sandra fragte sich, ob sie geschlafen hatte und es bereits halb zwölf am Morgen war. Nein, das war völlig unmöglich. Es musste einen anderen Grund haben, weshalb sie in der Höhle immer mehr Konturen wahrnahm. Sandra konzentrierte sich auf den Bereich links von ihr, wo sie einen feinen Lichtstrahl zu erkennen glaubte. Da sich das Licht im Zeitlupentempo bewegte, konnte es nicht von einer Taschenlampe stammen. ›Der Mond, es muss der Mond sein‹, schoss es Sandra durch den Kopf. Irgendwo musste es also einen Spalt geben, durch den das Mondlicht in die Höhle dringen konnte.Wie gebannt beobachtete sie den Weg des Lichtstreifens, der nach und nach größer wurde und plötzlich nicht mehr nur die Felswand beleuchtete, sondern noch etwas anderes. Als schließlich der Kopf eines Mammuts sichtbar wurde, stieß sie einen Schrei aus und machte unversehens eine ruckartige Bewegung, die einen stechenden Schmerz verursachte. Wenig später beschien das Mondlicht eine Antilope und ein langfelliges Nashorn, ehe es langsam schwächer wurde und verschwand.
Sandra griff in die Tasche ihrer Jacke und holte den Knochen hervor, den sie nach ihrem Absturz gefunden hatte. Der Ort, an dem sie sich befand, muss also bereits vor langer Zeit von Menschen bewohnt worden sein. Diese Vorstellung beruhigte Sandra irgendwie. Auch die Tatsache, dass von draußen Licht in die Höhle drang, ließ Hoffnung in ihr aufkommen. Mit einem eigenartigen Gefühl strich sie über den Knochen.
Die Meteorologen starrten auf ihre Bildschirme und waren verwirrt. Wenn sich die Gewitterfront, die über dem Atlantik bereits gigantische Ausmaße angenommen hatte, weiterhin mit dieser Geschwindigkeit Richtung Europa bewegte, würden in der Nacht von Donnerstag auf Freitag über weite Teile des Kontinents Unwetter niedergehen, wie man sie in diesen Breiten bisher noch nie erlebt hatte. Da die Prognosen aber auf Hypothesen beruhten, weigerten sich die Politiker in den betroffenen Ländern, Katastrophenalarm auszulösen.
So blieb den Meteorologen nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass es sich bei diesem einzigartigen meteorologischen Phänomen um eine Fata Morgana handelte.
Nachdem Greg Sutherland in der Nacht über Sandras Verschwinden informiert worden war, stand er bereits um sieben Uhr neben der Autobahnauffahrt. Da er mit dem Zug, dem Bus und der Pferdekutsche nach Bad Fucking fast acht Stunden gebraucht hätte, entschied er sich fürs Autostoppen. Auf einen Pappkarton hatte er in großen Lettern BAD FUCKING geschrieben, den er den Autofahrern nun entgegenhielt.
Das Bild, das Greg Sutherland den schwitzenden Menschen bot, war aus mehreren Gründen ungewöhnlich: Mister Sutherland war nämlich nicht nur zwei Meter groß, sondern auch ein ziemlicher Brocken. Nicht umsonst war er als Quarterback bei den
Vienna Sandflies
tätig. Außerdem war
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