Bad Fucking
wie er aus dem Gefängnis entlassen worden ist, ist er noch am selben Tag zu mir ins Hotel gekommen und hat mir ein Sparbuch in die Hand gedrückt. Er hat gesagt, für dieses Geld soll ich ihm einmal in der Woche was zum Essen kaufen und in die Höhle bringen.
Woher stammte das Geld?
Das weiß ich nicht, aber er hat gesagt, das Geld müßte ein paar Jahre reichen und wenn er früher sterben sollte, dann soll ich es behalten als Wiedergutmachung.
Als Wiedergutmachung für was?
Das weiß ich nicht.
Wieviel ist noch auf dem Sparbuch drauf?
71 Euro.
Die Gendarmerie überzeugt sich, daß das stimmt und schickt Bartl wieder nach Hause.
Das Verhör wurde von Arthur Stallinger geführt und am 13. Juli ordnungsgemäß abgetippt.
Camilla hätte große Lust gehabt, das Verhörprotokoll als Beweismittel für die unglaublichen Zustände in diesem Ort mit nach Wien zu nehmen, entschied sich dann aber doch anders. Sie hielt sich erneut die Nase zu und legte den Schnellhefter in der Wachstube an seinen Platz zurück.
Sie startete den Wagen und wollte gerade zurückstoßen, als sie am Ende der Straße eine schwankende Gestalt sah. Die Frau trug ein langes, dunkles Kleid und ein Kopftuch. Camilla drehte den Zündschlüssel und stieg aus. Immer wieder blieb die Frau stehen und spuckte eine zähe, dunkle Flüssigkeit auf den Boden. ›Ach, du meine Güte, was ist denn mit dieser Frau los?‹ Sie lief der schwankenden Gestalt entgegen und erschrak. Die Frau sah fürchterlich aus und roch nach Urin, Kot und Blut. Dass sie dringend ärztliche Hilfe brauchte, war unübersehbar.
Camilla lief zum Auto zurück und holte ihr Handy. Sie wählte die Nummer 144 und dachte zunächst, ihr Handy sei defekt. Erst beim dritten Versuch fiel ihr ein, dass Dr. Klopf ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass in Bad Fucking weder Internet noch Handys funktionierten. ›Scheiße, auch das noch‹, fluchte Camilla und lief zur Frau zurück, die sich in der Zwischenzeit auf die Gehsteigkante gesetzt hatte.
»Was ist denn mit Ihnen passiert? Können Sie sprechen? Verstehen Sie mich?«
Die Frau hob langsam den Kopf, und Camilla wich unwillkürlich zurück. Ihr Gesicht war geschwollen und aus ihrem Mund quoll Blut. »Krkbrtlum trklmbto wscht rchtn chtorch«, war alles, was sie herausbrachte.
Camilla sah sich um und fragte sich, wo die Menschen in diesem Ort waren. Versteckten sich alle in ihren Häusern? Auf der Straße war jedenfalls niemand zu sehen. ›Das darf doch nicht wahr sein.‹ Camilla überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Ihr Auto würde zwar versaut werden, aber in dieser Situation blieb ihr gar nichts anderes übrig, als die Frau ins Hotel zu bringen und von dort einen Arzt oder die Rettung zu rufen.
»Schaffen Sie es bis zu diesem Auto dort? Sie können sich auf mich stützen.«
Camilla half der Frau auf die Beine und schleppte sie zu ihrem Wagen.
Als die beiden Gendarmen Wellisch und Stallinger die Metzgerei verließen, fuhr auf der Straße gerade ein Wagen vorbei, in dem auf dem Beifahrersitz eine zusammengesunkene Frau mit einem Kopftuch saß. Aber weder Wellisch noch Stallinger nahmen von dem Auto Notiz, da sie andere Sorgen hatten. Wellisch musste schleunigst seine Vorbereitungen für die Rückkehr der Aale abschließen, und Stallinger wollte nach Hause, um seine Dachrinne zu reparieren. Um den defekten Schalter am Rasenmäher würde er sich ein anderes Mal kümmern.
Wellisch und Stallinger verabschiedeten sich von Philipp Hintersteiner und Frau Sussalek, die mit Pamminger noch Details wegen der Miete für die Lagerung der beiden Leichen im Kühlraum besprechen mussten.
»Komm, Arthur, uns geht das zum Glück nichts mehr an«, sagte Wellisch zum Hilfsgendarmen, »schauen wir, dass wir weiterkommen.«
Wellisch setzte sich auf den Rücksitz und Stallinger startete sein Dienstmoped. Wenig später hielt der Hilfsgendarm vor der Kirche von Bad Fucking, wo Wellisch abstieg.
Wellisch betrat die Kirche, bekreuzigte sich und setzte sich in die erste Reihe. Drei Jahre lang hatte er auf der rechten Seite ministriert –
Ad Deum, qui laetificat juventutem meam
– und dabei das Altarbild stets in seinem Blickfeld gehabt. Noch einmal betrachtete er das Gemälde, das die Beweinung Christi zeigte.
Maria saß mit dem Leichnam am Fuße des Kreuzes und stützte mit der rechten Hand das dornenbekrönte Haupt ihres Sohnes. Maria Magdalena stand mit ausgebreiteten Armen am linken Rand und unterstrich mit dieser Haltung ihre ganze
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