Bad Hair Days - das Leben ist keine Dauerwelle
»wir sind hier, um mit Ihnen über etwas zu sprechen, das uns wichtig ist.« Er betonte das »uns«, sodass es auf keinen Fall zu Missverständnissen kommen konnte.
»Okay, das hab ich verstanden«, sagte der Hurricane mit einem Blick, als ob er schon alles auf der Welt gesehen hätte, sodass ihn nichts mehr vom Hocker reißen konnte. »Geht es vielleicht wieder um ein verdammtes Charityprojekt, das ich unterstützen soll? Oder ein Drehbuch, das ihr mir unterjubeln wollt?«
»Nein. Nichts davon«, stieß ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Wir haben Ihre Daten oder vielmehr die von Charles Ward in einer E-Mail-Anlage gefunden, die von einer Website namens Fertility-Dingsbums.com geschickt wurde, und …«
»Und da habt ihr einfach auf mich getippt? Wow, wer hätte das gedacht?«
Dieser Typ war nicht aufzuhalten. Wie eine Dampfwalze. In seiner Welt führten alle Wege schnurstracks zu ihm. Aber im wahren Leben war es nicht so, das musste er endlich mal kapieren und ich würde es ihm hinreiben, weil ich langsam genug davon hatte, wie er mit uns redete, und überhaupt: Es reichte.
»Nein«, sagte ich. »Wir haben nicht auf Sie getippt. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie Charles Ward sind. Und es ist mir auch egal. Ich kann Ihre Fernsehshow sowieso nicht leiden. Und Sie auch nicht, ehrlich gesagt. Ich finde, Sie sind total geschmacklos und gehässig, und ich wollte eigentlich nur von Ihnen wissen: WAR ES IHR SPERMA , DAS MEINE MUM ÜBERS INTERNET BEKOMMEN HAT ?«
Den letzten Satz brüllte ich praktisch. Oder nicht praktisch, sondern richtig. Ich brüllte ihn aus vollem Hals, bis mir bewusst wurde, dass es im Café totenstill geworden war. Der ganze gedämpfte Smalltalk war verstummt und alle starrten uns an.
Ein roter Schimmer kroch am Hals des Hurricane hinauf und breitete sich bis zu seinen Ohren aus, die wie zwei Leuchtfeuer rechts und links vom Kopf abstanden.
»Ähm … tut mir leid«, stotterte der Hurricane. Ihm fehlten ausnahmsweise die Worte.
»Ist schon gut«, sagte ich leicht zerknirscht, weil ich so laut geschrien hatte. Aber endlich kamen wir zur Sache. Ich hielt den Atem an und meine Brust hob sich.
»Die Sache ist nur die«, fuhr der Hurricane fort und beugte sich vor, und Billy und ich beugten uns ebenfalls vor, genauso wie die meisten anderen Leute im Café, »also das Problem ist, ich kann’s nicht gewesen sein …«
»Oh«, sagte ich und die Luft entwich aus mir wie aus einem angestochenen Luftballon. Um uns herum atmeten die Leute hörbar auf, dann redeten sie weiter.
»Sind Sie sicher?«, sagte Billy.
»Ganz sicher«, bestätigte der Hurricane. »Hundertprozentig sogar. Weil nämlich … also ich hab mich dort zwar gemeldet, aber ich hab’s mir anders überlegt.«
»Oh«, sagte Billy.
Und ich auch: »Oh.«
»Ich wurde angeschrieben«, fuhr der Hurricane fort, »man hat mir gemailt, vermutlich im Auftrag Ihrer Mutter, und ich wollte es auch machen, aber dann, im letzten Moment, konnte ich nicht. Ich weiß auch nicht, die Sache war mir zu groß. Obwohl ich bis heute nicht sagen kann, warum eigentlich. Mit anderen Worten: Ich hab gekniffen. Ich hab’s nicht gemacht. Ich hatte nicht den Mumm dazu. Ich bin aus dem ganzen Programm ausgestiegen.«
»Oh«, sagte ich wieder. Und plötzlich merkte ich, dass mir der Kiefer wehtat, weil ich in den letzten zwanzig Minuten die Zähne so fest zusammengebissen hatte.
»Die Männer, die das durchziehen«, fügte der Hurricane hinzu, »also dazu gehört schon Mut. Ich bewundere sie dafür. Weil sie wissen, was im Leben zählt. Und jetzt bist du hier und natürlich total enttäuscht. Das tut mir leid, glaub mir.«
Und es klang ehrlich.
»Schon okay«, sagte ich, obwohl ich ziemlich geknickt war. Billy legte seine Hand auf meinen Arm.
»Wirklich, es tut mir leid«, wiederholte der Hurricane. »Das war ein Missverständnis und ich hoffe, du findest deinen richtigen Dad. Ich hoffe, dass er ein toller Mann ist. Das hast du verdient.«
Wir saßen einen Augenblick schweigend da. Harry Hodders Schultern sackten herunter. Er sah plötzlich alt aus – alt und traurig mit seiner lächerlichen Basecap. Wenn ich nicht selber so fertig gewesen wäre, hätte ich Mitleid mit ihm gehabt. Für einen kurzen Moment stellte ich mir vor, dass die Sache anders gelaufen wäre, dass dieser Mann mir gesagt hätte: »Ja, ich bin dein Dad!« Was dann? Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht gewesen.
Dann warf er uns sein berühmtes Fernsehlächeln zu und
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