Bad Monkeys
für die Ermordung einer halben Million Menschen; er ist neunzig Jahre alt, lebt versteckt im südamerikanischen Dschungel. Der andere Mann ist viel jünger – gerade mal fünfundzwanzig, kerngesund – und lebt mitten in San Francisco. Er hat bislang nur einmal getötet, aber er hat festgestellt, dass er Talent und eine Schwäche dafür hat, und man kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass er noch viele Male töten wird … obwohl die Gesamtzahl seiner Opfer nie mehr als einen Bruchteil derjenigen des Lagerkommandanten erreichen wird.
Der Tod des einen wie des anderen würde die Welt ein bisschen besser machen. Sie haben die Macht, einen von ihnen zu töten – aber nur einen. Welchen wählen Sie aus?«
»Das ist einfach«, sagte ich. »Den jungen Typ.«
»Warum?«
»Weil die naheliegende Antwort der Nazi wäre, und das hier ist eine Fangfrage.«
»Clever«, sagte True in einem Ton, aus dem hervorging, dass es ganz und gar nicht clever war. »Wie wär’s jetzt mit einer etwas durchdachteren Antwort?«
»Wäre ich in dieser hypothetischen Situation Sie?«
»Sagen wir mal, jemand mit meiner Tätigkeitsbeschreibung.«
»Dann bleibt die Antwort dieselbe. Den jungen Typ umlegen.«
»Warum?«
»Seine schlimmste Zeit steht erst noch bevor. Beim Nazi ist der Holocaust schon vom Tisch – ihn zu töten mag befriedigender sein, aber unterm Strich ist der Nutzen geringer.«
»Was ist mit der Abschreckungswirkung?«, sagte True. »Würde die Tötung des Nazis nicht andere Leute davon abhalten, in seine Fußstapfen zu treten?«
»Wär möglich, wenn es eine öffentliche Hinrichtung wäre. Man könnte ihn wegen Völkermords vor Gericht stellen und vor laufenden Fernsehkameras aufhängen. Das Problem ist, ich bin nicht die Regierung, ich bin Mitglied einer Geheimorganisation, die ihre Agenten wie Cheerleader anzieht, damit die Leute nicht über sie reden können. Eine Hinrichtung, von der niemand etwas erfährt, hat null Abschreckungswirkung.«
»Was ist mit der Gerechtigkeit?«
»Ist das eine hypothetische reale Situation oder ein hypothetisches Märchen?«
»Und was ist mit Rache?«
»Die ist süß. Aber sie hat nichts mit der Bekämpfung des Bösen zu tun.«
»Nein«, pflichtete True mir bei. »Hat sie nicht.«
»Heißt das, dass ich den Test bestanden habe?«
»Die erste Hälfte. Die zweite Hälfte ist nicht ganz so theoretisch …« Er legte zwei Broschüren auf den Tisch. Auf dem Umschlag stand jeweils ein Name, mit Filzstift geschrieben. Der auf der ersten Broschüre lautete benjamin loomis , der auf der zweiten julius deeds .
»Zwei Männer«, sagte True. »Beide böse. Den einen haben Sie schon kennengelernt –«
»Ja, hab ich«, sagte ich. »Und er ist keine neunzig Jahre alt, falls Sie darauf hinauswollten.«
»Julius Deeds wird des Mordes beschuldigt. Die Beweise gegen ihn sind stichhaltig, und trotz seiner Versuche, Geschworene einzuschüchtern, wird man ihn wahrscheinlich verurteilen. Und selbst wenn er um eine Haftstrafe herumkommt, hat er sich durch seine Taten genügend Feinde auf beiden Seiten des Gesetzes gemacht. Ein Neunzigjähriger könnte ihn ohne weiteres überleben.«
»Und Loomis ? Lassen Sie mich raten: Er ist gerade mal fünfundzwanzig, kerngesund …«
»Siebenundzwanzig, um genau zu sein. Und er hat schon viermal getötet, nicht bloß einmal. Aber abgesehen davon, ja, er ist der jüngere Mann in unserem hypothetischen Fall. Ein menschliches Raubtier. Er hat bislang in Abständen von drei Monaten zugeschlagen, wenn ihn also keiner stoppt, rechnen wir damit, dass er sich Anfang Dezember sein nächstes Opfer aussucht.«
»Die Polizei hat keine Ahnung, wer er ist?«
»Die Polizei weiß bislang nicht einmal etwas von seinen Taten. Er macht Jagd auf männliche Prostituierte, Männer, die von ihren Familien aufgegeben worden sind und die niemand haben, der sie als vermisst melden könnte. Er tötet unauffällig und vergräbt die Leichen. Früher oder später wird er natürlich gefasst werden – das werden Serienmörder fast immer –, aber es könnte noch Jahre dauern.«
Ich starrte auf den Tisch. »Sie hat nur einen Schuss, stimmt’s? Das ist das Spezielle daran. Und der Test besteht darin, dass ich eine Wahl treffen muss.«
»Wir müssen wissen, wo Ihre Prioritäten liegen«, sagte True. »Gleich werden Sie eine dieser Broschüren auswählen; darin werden Sie alle Informationen finden, die Sie zur Erfüllung Ihres ersten Auftrags benötigen. Die andere
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