Bad Monkeys
davongetragen haben.«
Die Einschränkung entging mir keineswegs. »Die meisten von ihnen?«
»Warum sagen Sie mir nicht, an wen ich speziell denke?«
Rätselraten war nicht nötig. Ich sah wieder auf die Bilderwand, auf das Foto in der rechten unteren Ecke, meinen allerletzten Schoßjungen: Owen Farley.
»Neunzehn«, merkte Dixon an. »Schon ein bisschen zu alt für Sie, oder?«
»Nein«, sagte ich. »Er war in gewisser Weise der Jüngste von allen. Er war wie …« – ich zögerte, als mir bewusst wurde, dass ich dabei war, mir mein eigenes Grab zu schaufeln, aber ich hatte keine Wahl, also redete ich weiter – »… er war wie der Junge in der Erzählung von Anaïs Nin. Unschuldig. Oder nein, nicht unschuldig. Zart. Zerbrechlich.«
»Jetzt kommen wir allmählich weiter. Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
»Sie wissen doch, was passiert ist.«
»Ich möchte hören, wie Sie die Sache darstellen.«
Also, ich war wirklich nicht scharf drauf, aber Dixon starrte mich weiter wie eine steinerne Klapperschlange an, und dann fing das Kribbeln im Handgelenk allmählich an, richtig weh zu tun, also hab ich schließlich nachgegeben und die Geschichte erzählt:
Gegen Mitte des Herbstes schmeckte die Sache mit den Schoßjungchen schon ziemlich abgestanden. Der Reiz des Neuen war verflogen. Die Sache mit halbwüchsigen Jungen ist die, dass sie keine sonderlich interessanten Gesprächspartner abgeben. Ich meine, selbst mit Miles, der weiß Gott was auf dem Kasten hatte, konnte man sich kaum unterhalten.
Also fing ich an, mich zu langweilen. Und es gab auch noch andere Probleme. Mein Boss im Schnapsladen hatte endlich mitgekriegt, dass ich mit meiner Trinkgelddosenmasche seine Lizenz aufs Spiel setzte; er feuerte mich nicht nur, sondern er behielt auch meinen letzten Lohn ein und sagte, wenn ich deswegen Ärger machte, würde er mich anzeigen. Also hinkte ich mit der Miete etwas hinterher, und außerdem hatte ich mir ein bisschen zu viel Drogen reingepfiffen , was meine Finanzen weiter angriff und die zusätzliche Wirkung hatte, dass ich morgens immer schwerer aus dem Bett kam, was wiederum zur Folge hatte, dass ich in meinem anderen Job ebenfalls Druck von oben bekam …
Sie sehen also, es kam eins zum anderen. Und dann ruft mich eines Tages, völlig aus heiterm Himmel, Carlotta Diaz an und meint, sie hätte sich grad ein Haus in Bodega Bay gekauft, und ob ich nicht Lust hätte, sie mal zu besuchen. Und ich sofort: Irre, Mann, ich komm eine Weile aus der Stadt raus, komm wieder klar, krieg wieder einen klaren Kopf und fang ganz von vorne an. Also hab ich Carlotta zugesagt, und wir haben ein Datum ausgemacht.
Nicht lange vor dem verabredeten Termin war ich nach einer letzten Schicht im Frittenladen auf dem Weg nach Haus, als ich ihn gesehen habe.
Er war Wanderprediger. Ich hab nie erfahren, woher er kam, aber es muss so ein Kirchenkaff mitten in der Pampa gewesen sein, wo die ihre Kinder unter der Käseglocke aufziehen. Was ihn nach S.F. verschlagen hat, weiß ich nicht, aber er konnte nicht länger als fünf Minuten aus dem Bus raus sein.
Er stand am Straßenrand mitten im Tenderloin und predigte einem Haufen Transen-Nutten was von Jesus. Die Nutten amüsierten sich königlich, lachten und johlten, aber das perlte von ihm ab wie Wasser von einer Ente. Es war nicht Dickfelligkeit , wissen Sie, bloß pure Ahnungslosigkeit. Er nannte die Nutten »Ladys«, und so, wie er es sagte, merkte man, dass es kein Spott war, dass er auch nicht bloß politisch korrekt sein wollte. Er blickte einfach nicht durch – er glaubte ehrlich, die Transen wären Frauen.
Also bin ich stehengeblieben und hab mir diese Travestieshow angesehen, okay? Und als ich sehe, wie grün dieser Junge ist, wie total unerfahren, da kommt mir der Gedanke: Wenn ich wollte, könnte ich den mit nach Haus nehmen und ihm den richtigen Himmel zeigen.
Jetzt können Sie’s mir glauben oder nicht, aber das war für mich ein Einschnitt. Ich meine, bei den anderen Schoßjungchen war’s mir nur um Spaß und eine geputzte Wohnung gegangen. Das jetzt war das erste Mal, dass ich bewusst mit dem Gedanken spielte, mir den Kopf eines Jungen vorzunehmen, Spuren zu hinterlassen … Und irgendein Teil von mir wusste, dass es eine schlechte Idee war, dass ich eine Grenze überschreiten würde, die ich nicht überschreiten wollte. Normalerweise hätte ich das auch nicht getan. Aber in weniger als einer Woche würde ich zu Carlotta fahren, und das änderte die Sachlage
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