Bad Moon Rising
lesend. »Ich war es nicht. Keine Ahnung, wie sie uns gefunden haben. Denkst du, ich würde dich verraten? Frag deine Wölfe!« Das sagte er mit äußerst brüchiger Stimme, aber er hatte recht. Die Tiere hätten gewusst, wenn er falsch gewesen wäre. Ich spürte es in der Strömung zwischen ihnen und mir. Diese Macht über Hunde hatte Jake benutzt, um deren junge Frauchen ins Bett zu kriegen. Ich vermisste ihn, vermisste seine Stimme, die meinen Namen sagte, seine Arme um mich. Der dümmste Teil in mir rechnete noch immer damit, ihn bald zu sehen. All das in dem Bewusstsein dessen, was passiert war, ein klaffendes Loch im Zimmer, in der Wand, im Gefüge, und ich wusste, wenn ich hineinschaute, würde ich das blanke schwarze Nichts sehen, das sich in völliger Stille in alle Ewigkeit erstreckte.
»Ahhh«, machte Cloquet. »Dieu est miséricordieux.« Er hatte neben der Couch die nicht ganz leere Flasche Jack Daniels vom Vortag gefunden. Er nahm einen Schluck, schloss die Augen, seufzte. Seine Schultern entspannten sich.
»Tut mir leid«, sagte ich. »Ich weiß, du hast sie geliebt.« Freundlichkeit. Aus der Extremsituation meines Versagens heraus. Aus dem Frieden heraus, nicht weiter fallen zu können. Solch amoralische Beziehungen fanden sich allüberall. Cloquet nahm noch einen Schluck.
»Ich fühle mich«, erklärte er, »als ob mein Körper mir sagt, dass man ihn mit zu viel Alkohol oder Koks oder welchem Gift auch immer verletzt hat. Verstehst du?«
»Ja.«
»So ist das – bis auf meine Seele. Es tut mir leid, was ich sie meiner Seele habe antun lassen. Ich war nichts. Ich war un drogué , ein beschissener, nutzloser Junkie.«
»Okay.«
»Je suis libre.«
»Ich verstehe.« Ich verstand es wirklich. Er hatte Jaqueline durch mich ersetzt. Keine besiegte Abhängigkeit, nur eine andere Droge. Und ich schlief nicht mal mit ihm. Vielleicht sollte ich das, vielleicht sollte ich sein sexuelles Ego wieder ins Land der Lebenden zerren, um das Bündnis zu besiegeln, ihm den Verstand wegvögeln und auf das Werwolfprotokoll scheißen. Entweder das, oder ihn töten. Das würde ich tun müssen, wenn ich ihm nicht vertrauen konnte. In der Zwischenzeit entwirrte sich die Distanz im Sog des Hubschraubers. Schon meilenweit. Hunderte von Meilen. Ich dachte an all die Dinge, die die Vampire wussten und ich nicht, an all die Vorbereitungen, die sie getroffen hatten, all die Kräfte, die ihnen zur Verfügung standen. Ihr Vorteil war geradezu lächerlich groß. Ein Witz. Konnte ich ihn nicht einfach vergessen? Das Risiko eingehen und einfach mit meiner Tochter verschwinden? Ich rief mir den ersten wiederkehrenden Tagtraum ins Gedächtnis, wir beide in ein paar Jahren in der weißen Villa in Los Angeles – Brentwood oder Marina del Rey oder die West Hollywood Hills –, mit Bougainvilleen und Kaktusgarten und türkisfarbenem Swimmingpool, wie wir friedlich unserem Leben nachgehen. Wir würden Tennisstunden nehmen und shoppen gehen, ab und an eine Party geben und es irgendwie schaffen, einmal im Monat zu töten und zu fressen, ohne dass dabei etwas schiefging oder irgendjemand herausbekam, was wir waren. Ich würde ihre gebräunten Arme und Beine lieben, ihre gute Körperhaltung und den zurückhaltend getragenen Schmuck und die Art, wie sie all ihren Mut zusammennahm, um mir schwierige Fragen zu stellen.
Doch der erste Tagtraum brachte stets den zweiten nach sich, den von dem kleinen Werwolfjungen in der zerfetzten Schuluniform, blutbedeckt.
Und der zweite den dritten. Mit freundlichen Grüßen von Delilah Snow.
Cloquet schloss die leeren Augen. Bis zu dem Augenblick, als ich den Mund aufmachte, wusste ich nicht, was ich sagen wollte.
»Ich hole ihn zurück.«
Kaum hatte ich das gesagt, wusste ich, es war hoffnungslos. Das Wissen um die Hoffnungslosigkeit war eine Erleichterung. Die Erleichterung, nach all der Eile und dem Irrsinn ans Abfluggate zu kommen und den Flug verpasst zu haben, und nun ist da nur noch das Gewicht und die Hitze deines eigenen Körpers und die Zeit, die sich vor dir erstreckt.
»Ja«, sagte Cloquet und schlug die Augen auf. »Natürlich.«
»Wenn du mir nicht helfen willst dabei, verstehe ich das.«
Er starrte einen Augenblick zu Boden, so als empfange er etwas aus der Unterwelt. Schließlich blinzelte er, nahm den letzten Schluck aus der Flasche, lächelte – und hörte damit urplötzlich wieder auf. »Für mich ist sie gestorben«, erklärte er. » C’est tout .«
Mit etwas Mühe zog ich
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