Bädersterben: Kriminalroman
Paar Socken. Es klingelte wieder, und wenig später leuchtete Stübers Name auf dem Handy auf. Er berichtete, dass der Brand zwar gelöscht sei, dass aber immer noch Schwelbrandgefahr bestehe.
»Habt ihr Personenschaden feststellen müssen?«, fragte Hansen in reinstem Beamtendeutsch.
Stüber verneinte. »Gott sei Dank nein, jedenfalls noch nicht. Wir konnten bisher nur kurz mit dem Leiterwagen über die Brandstelle fahren, aber es gibt keine Hinweise auf menschliche Opfer. Die Arche war glücklicherweise immer noch weiträumig mit dem Band abgeriegelt. Pahl hatte daher natürlich darauf verzichtet, den alten Strandwächter auf Nachtschicht hochzuschicken. Einfach zu dumm, dass niemand über Nacht Wache gehalten hat. Jetzt brauchen wir hier nicht mehr weiter nach Beweisen zu suchen. Die Brandexperten von der Feuerwehr sind bereits vor Ort.«
»Anstelle des Absperrbandes hätte ich Sie ja auch bitten können, über Nacht dort Stellung zu halten, Stüber. Meinen Sie, dass das irgendetwas an der Tatsache des Abfackelns geändert hätte, außer dass Sie mit eingeäschert wären?«
Am anderen Ende der Leitung wurde es still. »So habe ich das nicht gemeint, Kommissar. Besser, mögliche Beweise sind futsch, als dass jemand zu Schaden kommt. Sie haben schon recht. Ach so, wenn Sie jemanden für die Ermittlungen auf Helgoland benötigen, ich würde bereitstehen.«
Das verschlug Hansen die Sprache. Mist, Stüber schien tatsächlich mit seiner Witwe Eilenstein querzuliegen. Er musste ihm einen Heimatschuss verpassen, damit er mit ihr wieder ins Reine kommen konnte. »Nee, für Helgoland habe ich noch keine Strategie, Stüber. Am besten, ihr rückt nach Kiel ab, wenn ihr fertig seid. Mal sehen, was vom anderen Tatort aus Westerland kommt. Ich halte hier die Stellung vor Ort.«
Stüber quittierte das Ende des Gesprächs mit einem unwirschen Laut, der auf Unmut schließen ließ.
Hansen schaffte es nicht, die Socken zu finden, um sich weiter anzuziehen, denn das Telefon klingelte schon wieder. Immerhin kam der Anruf aus der Gerichtsmedizin mit der erfreulichen Nachricht, dass Ursache und Zeitpunkt des Todes von Reinicke inzwischen einigermaßen genau festgelegt werden konnten. Bei der Obduktion hatte man festgestellt, dass die Organe seines Unterleibs völlig zerfetzt waren. Schließlich hatte man ein feststeckendes Projektil in der Wirbelsäule gefunden, welches der Flugbahn nach im After abgefeuert worden sein musste. Deswegen hatte man auch keinerlei äußerliche Schussverletzungen finden können. Der Schuss hatte einwandfrei den Tod des Opfers herbeigeführt, und er musste lange vor der Sturmnacht abgegeben worden sein, vermutlich bereits am Vortag, also am Samstagnachmittag oder -abend.
Wenngleich Hansen erleichtert war, dass das Opfer offenbar einen schnellen Tod erlitten hatte, so sehr fluchte er innerlich, denn Stuhr schien tatsächlich recht zu behalten. Er bohrte nach, ob es schon irgendwelche Vermutungen über einen möglichen anderen Tatort gab. An eine positive Antwort glaubte er nicht, aber es blieb einen Moment still in der Leitung, bevor die Antwort kam.
»Nein, nicht genau, aber es scheint sicher zu sein, dass dieser Reinicke kurz vor seinem Tod in einem dieser Flieger von Helgoland gesessen haben muss.«
Hansen war verwundert. »Seit wann könnt ihr so etwas denn ermitteln? Seht ihr das an den Blutwerten?«
»Nein, das sehen wir, seitdem wir Opfer bei rätselhaften Umständen immer weiter aufschneiden, Kommissar Hansen. Letztendlich haben wir in der Speiseröhre einen abgestempelten Flugschein der Friesischen Luftgesellschaft gefunden, ausgestellt für einen Flug am Samstagmittag für die Strecke Helgoland–Büsum. Der Tote muss ihn unmittelbar vor seinem Ableben heruntergewürgt haben. Durch den plötzlichen Exitus und vermutlich auch durch die Tatsache, dass die Leiche zunächst flach gelagert worden ist, konnte der Flugschein nicht mehr in den Magen gelangen, wo die Säure ihn zersetzt hätte. Der Knebel im Mund hat zudem verhindert, dass zu viel Wasser hinterhergelaufen ist.«
Der Kommissar hielt inne. Das war ja kaum zu glauben, dass so viele glückliche Zufälle gleichzeitig auftraten, die ausgerechnet den Flugschein hatten erhalten bleiben lassen. Hatte der Täter etwa eine falsche Spur gelegt, indem er nachträglich dem toten Reinicke den Flugschein in die Speiseröhre gestopft hatte? Oder wollte das Opfer angesichts seines sicheren Todes einen letzten Hinweis auf den Täter geben? Das
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