Bär, Otter und der Junge (German Edition)
beide versucht, dich zu erreichen.“ Diesen letzten Teil sagt sie ohne die Spur einer Anschuldigung in der Stimme, was mich sie nur noch mehr lieben lässt.
„Ich weiß, tut mir leid. Ich hab mein Telefon einfach nicht gehört.“ Ich schüttle den Kopf. „Was tut sie hier, Mrs. Paquinn? Hat sie das gesagt?“
Sie lässt ihren Kopf sinken und schließt ihre Augen, „Um ehrlich zu sein, hat sie nicht besonders viel gesagt, Bär. Sie meinte, sie sei zurückgekommen, um zu sehen wie es ihren Jungs geht. Sie hat immer wieder versucht, Tyson dazu zu bringen, mit ihr zu reden, aber wenn der Junge nicht am Telefon war und versucht hat, dich zu erreichen, hatte er sich an mir zusammengerollt.“ Sie öffnet ihre Augen und sieht mich an. „Warum auch immer sie hier ist, es kann nichts Gutes sein“, sagt sie mir. „Keine Mutter haut für drei gottverdammte Jahre ab, lässt ihre Kinder zurück und kommt dann wieder, ohne etwas zu wollen.“
„Scheiße“, murmle ich. Ich kann mich nicht konzentrieren, und es scheint, als raste jeder Gedanke, den ich jemals gehabt hatte, durch meinen Kopf. Meine Hände sind verschwitzt und meine Knie fühlen sich schwach an. Ich will hinein rennen und Otter und den Jungen holen und hier, verdammt nochmal, verschwinden. Mrs. Paquinns Worte tragen nur zu dem Durcheinander in meinem Kopf bei.
Sie nimmt meine Hand in ihre und hebt sie zu ihren Lippen. „Bär, wenn du irgendwas brauchst, irgendwas , weißt du, wo du mich findest. Ich mag nicht mehr so schnell sein wie früher, aber ich habe jetzt eine lange Zeit auf diesen Jungen aufgepasst, und ich weiß, wie ich die beschützen muss, die ich liebe.“ Ich nehme sie in meine Arme und kann ein kurzes, überraschtes Ausatmen hören, aber sie nimmt die Umarmung gerne an. Ihre Arme sind stärker als ich ihnen zugetraut hätte. Nach einer Zeit lässt sie mich los und ohne ein weiteres Wort humpelt sie hinüber zu ihrer Tür und geht hinein.
Keine Mutter haut für drei gottverdammte Jahre ab, lässt ihre Kinder zurück und kommt dann wieder, ohne etwas zu wollen.
Ich gehe wieder zurück. Sobald ich das Wohnzimmer betrete, steht meine Mutter erwartungsvoll auf. Ich sehe, dass Otter den Jungen aus dem Zimmer gebracht hat, und ich gehe an meiner Mom vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Ich höre sie seufzen, als sie sich wieder setzt. Scheiß auf sie. Sie kann warten. Meine Jungs sind nicht in der Küche, also mache ich mich auf den Weg den Flur entlang und sehe, dass die Tür zu unserem Zimmer geschlossen ist, das Licht jedoch brennt. Ich versuche es mit der Klinke, aber die Tür ist verschlossen.
„Wer ist da?“, fragt Otter schroff.
„Ich bin's“, antworte ich ruhig und kann hören, wie das Schloss und die Tür sich öffnen. Ich sehe ins Zimmer, wo der Junge mit dem Rücken zur Wand auf seinem Bett sitzt. Otter schließt die Tür und verschließt sie wieder, dann zieht er mich zum Bett hinüber, wo er uns beide in die Arme nimmt und uns sanft wiegt. Er küsst uns beide aufs Haar. Die Augen des Jungen sind noch immer groß und erschreckt, und ich kann die erste große Welle der Wut spüren, die über mich hereinbricht. Otter fühlt wie ich mich unter seinen Händen anspanne und beginnt, mir über den Rücken zu streicheln.
Wie, um alles in der Welt, kann sie hier sein? Nachdem sie ihre Familie für irgendeinen verfluchten Typen fallengelassen hat, kann sie doch nicht wirklich den Nerv haben, sich wieder bei uns blicken zu lassen, und noch viel weniger zu wagen, die gleiche Luft wie wir zu atmen... Der bittere, heiße Geschmack von Galle steigt mir in die Kehle, doch ich kann ihn herunter schlucken, wo er sich schleimig in meinem Magen niederlässt. Drei Jahre sind eine lange Zeit, um Wut und Hass auf jemanden vor sich hin gären zu lassen, und um ehrlich zu sein, dachte ich, ich hätte das Meiste davon hinter mir gelassen. Ja, es stank fürchterlich, als sie uns verlassen hat, und ich habe an mir selbst und jedem anderen in meiner Nähe gezweifelt, und mich gefragt, wie um alles in der Welt ich für ein Kind sorgen sollte, wenn ich selbst noch eines war. Es gab Tage, an denen ich abwechselnd ihren Namen verflucht und Gott darum angebettelt habe, sie zurückzuschicken. Im Laufe der Zeit war es zu einem dumpfen Schmerz verblasst, den ich immer bei mir trug, aber den ich seltsamerweise zu ignorieren lernte.
Jetzt ist sie zurück, und es ist, als habe sich eine alte Wunde geöffnet und begonnen wieder zu eitern. Aber diesmal wird es begleitet
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