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Bär, Otter und der Junge (German Edition)

Bär, Otter und der Junge (German Edition)

Titel: Bär, Otter und der Junge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: TJ Klune
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in die Dunkelheit kriechen und mich dann so viel besser fühlen. Denn das hier kann nicht real sein. Niemand tut so etwas einem anderen an. Besonders Eltern. Deshalb kann es nicht wahr sein, weil nicht einmal meine Mutter so etwas tun könnte.
    Es ist aber real, Bär, flüstert eine Stimme zurück. Du weißt dass es real ist, wegen des Geschmacks in deinem Mund und den Kopfschmerzen, die du langsam bekommst. Der Schnitt in deiner Hand. Die Übelkeit in deinem Herzen . Deshalb weiß du, dass es real ist. Du könntest diese Dinge nicht tatsächlich fühlen, wenn es ein Traum wäre. Das ist auch nicht die Frage, die du dir stellen solltest, wenn dies ein Traum wäre. Die Frage, die du stellen solltestist, was du nun tun wirst. Weil du wach bist.
    In diesem Moment wollte ich gar nichts tun. Ich wollte für die nächsten zwei Monate hier liegen und dann meinen Krempel zusammenpacken und, Teufel nochmal, aus Seafare verschwinden wie ich es vorhatte. Das war der Plan für dessen Erfolg ich mir den Arsch aufgerissen hatte. Es war geplant, dass ich mein Zeug packe um nach Eugene zu gehen und das College zu besuchen und ein Schriftsteller oder ein Lehrer oder was, zur Hölle, auch sonst ich sein wollte, zu werden. Ein Journalist. Ein Astronaut. Der Präsident der Scheiß-Vereinigten-Staaten. Ich hatte ein Stipendium bekommen, verdammt nochmal! Ich war dabei, jemand zu werden, der ich sein wollte und nicht, zu etwas gezwungen zu werden, das ich nicht wollte. Und als ich dort lag, bewegte sich ihr Brief, dieser gottverdammte Brief durch mein Bewusstsein, verhöhnte mich. W arum brauchst du ein College für dein Vorhaben?, sagte es. D iese Stipendiums-Sache wird auch später noch da sein, stimmts?
Weil du etwas für mich tun musst.
Weil du etwas für mich tun musst.
Du warst schon immer besser darin, dich um ihn zu kümmern als ich.
    Ich würgte wieder. Und wieder. Und wieder.
    Nach einer langen Zeit – als ich sicher war, dass keine Flüssigkeit mehr in mir sein konnte – stand ich unsicher auf. Ich ging hinüber zum Waschbecken und spülte den üblen Geschmack aus meinem Mund . Das Wasser fühlte sich gut gegen meine fiebrige Haut an. Ich spritze es in mein Gesicht, versuchte einen Blick in den Spiegel zu vermeiden. Ich wollte nicht sehen, welches Bild ich in diesem Moment bot. Ich wusste, was ich auf meinem Gesicht sehen würde und wenn ich gewagt hätte hinzusehen, um die Resignation, die Wut zu sehen, hätte ich mich selbst dafür gehasst. Ich hätte sie dafür gehasst, mehr noch, als ich es ohnehin schon tat.
    Und ich hätte Ty gehasst. Und das ist es, was am meisten weh getan hätte.

    I CH kam zurück ins Wohnzimmer und fühlte mich müder, als jemals zuvor in meinem Leben. Anna erhob sich sofort und legte ihre Arme um mich, drückte zu, bis ich keine Luft mehr bekam. Ich hob meine Arme nicht. Ich konnte ihr nicht geben, was sie wollte. Nicht in diesem Moment.
    Sie muss es ebenfalls gespürt haben, denn sie zog sich zurück und sah mich an. Ich konnte sehen, dass sie geweint hatte und ein Teil von mir war deswegen genervt. Warum musste sie schon weinen? Sie wurde nicht beschissen. Sie musste sich keine Sorgen um ihre Zukunft machen. Sie musste sich keine Gedanken darum machen wie sie sich um ein verdammtes kleines Kind kümmern sollte. In diesem Moment und ich schäme mich, das zuzugeben, wollte ich nicht mehr mit ihr zusammen sein. Ich wollte, dass sie weggeht und nicht mehr zurückkommt. War es nicht das, was ohnehin jeder, der wichtig war, früher oder später tun würde? Ich musste mich zurückhalten, dass es nicht aus mir heraussprudelte, aber sie konnte die Wut in meinem Gesicht sehen und zuckte zurück. Ein kleiner Teil von mir hoffte, dass sie wusste, dass sie nicht gegen sie gerichtet war, nicht wirklich. Aber nur ein kleiner Teil.
    „Bär, Otter und ich –“, begann Creed, aber ich unterbrach ihn.
    „Nein“, sagte ich. „Wir werden nicht hier darüber sprechen. Ich will ihn nicht aufwecken.“ Damit drehte ich mich um und machte mich auf den Weg in die Küche, wohl wissend, dass sie sich hinter meinem Rücken Blicke zuwarfen, als sie mir folgten.
    Ich setzte mich an den Tisch und wartete, bis sie sich ebenfalls setzten . Anna sah noch immer aufgewühlt aus und starrte zum Wohnzimmer; Creed sah hinunter auf seine Hände. Lediglich Otter sah mich an, also konzentrierte ich mich auf ihn.
    „Wir werden wegen ihr nichts unternehmen“, sagte ich.
    Er sah mich an, die Spur eines Lächelns auf seinen Lippen.

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