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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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und mit einem lauten kindlichen
Quieken mir den Hund vor den Bauch stieß. So schnell ich konnte, wich ich in
das vordere Zimmer zurück, wobei ich keineswegs vergaß, den Stoffhund
anzuknurren. Das Kind lief mir nach, als ich, laut bellend, rückwärts auf die
Haustür zustolperte. Der Mann folgte uns beiden, doch hatte sich seine
gerunzelte Stirn schon etwas geglättet. Ich erreichte die Tür, öffnete sie und
war draußen aus dem Garten heraus, ehe einer auch nur »Jupp Stalin« hätte sagen
können.
    Sobald ich glücklich in meinem Hotel
angelangt war, schrieb ich der Tochter des Admirals einen kurzen Brief und
teilte ihr mit, daß zwar das Haus einen neuen Anstrich gebrauchen könnte, das
Familiensilber jedoch, soweit ich es übersähe, sichergestellt sei.
    Am gleichen Abend fuhr ich nach
Moskau.

Moskau
     
     
     
    In Moskau nahm mich Intourist wieder
bei der Hand und steckte mich ins Metropol-Hotel. In meinem ganzen Leben habe
ich nur einmal etwas entfernt Ähnliches gesehen: die große gläserne Wartehalle
des Broda-Street-Bahnhofs in Philadelphia. Der Bahnhof ist vor fast fünfzig
Jahren abgebrannt, doch ist leider noch nicht abzusehen, ob sich auch das
Metropol des gleichen glücklichen Endes erfreuen wird. Das Moskauer Intourist
ist anders als das Leningrader — zivilisierter, nicht ganz so besorgt um die
ideologische Erziehung seiner Schützlinge. Sie wollten wissen, wo man sich aufhielt
und weshalb man da war, aber sie drängten nicht so beharrlich, daß man ihnen
seine innersten Gedanken anvertraue. Vielleicht, weil sie mehr mit Fremden zu
tun hatten, vielleicht aber auch deshalb, weil Roosevelt die Sowjetunion noch
nicht anerkannt hatte und nun zumindest alle Subalternbeamten sich bemühten,
ihre besten Manieren an den Tag zu legen.
    Durch die Vermittlung einiger Freunde
im Ausland lernte ich amerikanische Zeitungskorrespondenten in Moskau kennen
und konnte mit ihrer Hilfe bald schon vom Metropol in eine russische Familie
übersiedeln. Es glückte mir, in einer Vierzimmerwohnung einen Raum für mich
allein zu erwischen. Die Familie bestand aus meiner Wirtin, deren Tochter und
Schwester, einer Haushilfe und einem kleinen Mädchen, dessen Zugehörigkeit ich
nie genau ermitteln konnte. Es hieß, sie sei ein Kind des Dienstmädchens und
des Bruders der Wirtin; aber es war nur ein Gerücht, und ein unwahrscheinliches
dazu, da das Kind sehr lebhaft und intelligent, das Dienstmädchen jedoch ausgesprochen
dämlich war. Von den drei restlichen Räumen war einer das Wohn-Eßzimmer, in dem
wir uns zu den Mahlzeiten und an den Abenden versammelten, um alle die
Nachrichten zu diskutieren, die entweder durch die sowjetischen Absperrungen
gesickert waren oder aus Rußland selbst stammten. Die Tochter des Hauses hatte
einen winzigen Raum für sich, während die anderen vier Bewohner sich auf mir
stets unerklärliche Weise in das letzte Zimmer teilten oder in den
verschiedenen Winkeln des Korridors unterschlüpften.
    Der bei weitem wichtigste Raum aber
war die Küche, die zum Kochen, Waschen und Baden benutzt wurde und in der sich
das einzige Waschbecken der Wohnung befand. Etliche große Holzplanken über der
Badewanne dienten als Küchentisch. Diese vielseitige Verwendungsweise brachte
es zwangsläufig mit sich, daß die Wasch- und Eßpläne mit größter Sorgfalt
aufeinander abgestimmt werden mußten. Es war zum Beispiel unmöglich, an einem
Wasch- oder Backtag zu baden, und ebensowenig konnte man sich waschen, während
etwa gerade eine Mahlzeit präpariert oder liquidiert wurde.
    Als Monate später der Botschafter
verlangte, ich solle in seine fürstliche Residenz umziehen, wandte ich ein, das
würde meinen Kontakt mit der Bevölkerung unterbrechen. Er blieb jedoch
unerschütterlich und wies darauf hin, daß es für mich wesentlich bequemer sei,
bei meinem Arbeitsplatz zu wohnen. Außerdem sei es jedem, der in Kontakt mit
mir komme, klar, daß meine russische Wohnung nicht gerade üppig mit
Badegelegenheiten ausgestattet sei. Er mag recht gehabt haben, obwohl ich mir
stets redliche Mühe gab, mindestens einmal wöchentlich ein Bad zu ergattern.
War das ganz ausgeschlossen, ging ich in die öffentliche Badeanstalt im
ehemaligen Adelsklub. Nachdem man von einem Amtsarzt sorgsam auf ansteckende
Hautkrankheiten untersucht und für gesund befunden worden war, konnte man hier
ein Schwitzbad in Massenabfertigung genießen und sogar in einem Bassin mit
warmem Wasser schwimmen. Vielleicht ist »schwimmen« auch nicht der

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