Bären im Kaviar
ein paar Minuten lang, und ich machte die Bemerkung,
sein Akzent sei entschieden mehr amerikanisch als englisch.
»O ja, das soll er auch«, schmunzelte
er, «ich hab’s in Amerika gelernt.«
«Was haben Sie denn drüben gemacht?«
»Unter dem Zaren war ich Matrose, und
vor zwanzig fahren, beim Ausbruch des Krieges, kaufte die russische Marine ein
paar Kriegsschiffe in Amerika. Ich gehörte zu den Mannschaften, die sie
herübergeholt haben.«
Ich spitzte meine Ohren. Über diese
Kriegsschiffe hatte ich als Kind viel reden hören.
»Wo haben Sie sie denn abgeholt?«
»In Philadelphia«, antwortete er, »sie
sind von den Campschen Werften gebaut worden. Die Wartezeit in Philadelphia war
herrlich. Gute Leute da drüben. Haben uns eingeladen und herumgefahren und uns
alles mögliche gezeigt — nicht nur den Offizieren, wie’s meist gemacht wird,
sondern auch uns Matrosen. Ganz besonders erinnere ich mich an den Direktor der
Werft — vielleicht war er auch Subdirektor — , jedenfalls an den, der immer
geschäftlich mit uns verhandelte. Eines Tages nahm er uns Matrosen mit auf sein
Landhaus und gab ein richtiges Fest für uns. Das werd’ ich nie vergessen. Die
Tische standen draußen auf dem Rasen unter einer riesigen Eiche neben dem Haus,
und es gab eine Menge russischer Speisen, wie wir sie seit der Ausfahrt nicht
mehr gesehen hatten. O ja, sie haben uns fein behandelt, diese Amerikaner.«
Ich freute mich, ihm erzählen zu
können, daß die Eiche, an die er sich so gut erinnerte, immer noch grünte. Sein
Gastgeber war mein Vater gewesen, und in jenem Landhaus bin ich geboren. Der
Exmatrose war zu sehr Mann von Welt, um abgedroschene Phrasen über die
Kleinheit dieser Erde zu machen. Er lachte nur und dankte mir nochmals für die
schönen Zeiten, die er drüben in Amerika gehabt hatte.
In insgesamt vierundzwanzig Stunden
war mir Baku für mein Leben verleidet. Es war feucht, kalt, stank erbärmlich
und hatte alle Eigentümlichkeiten einer großen Ölstadt. Und ich finde Ölstädte
scheußlich! Ein paar Häuser sahen aus, als ob sich einst darin hätte leben
lassen, aber seit die internationalen Ölgesellschaften Baku zu Anfang des
Jahrhunderts entdeckt hatten, waren sie von öl und Rauch und Schmutz
aufgeschluckt und durchtränkt worden. So schnell ich konnte, verließ ich den
unfreundlichen Ort und nahm den »Expreß« nach Moskau.
Dort angekommen, suchte ich George
Kennan auf, der immer noch im National-Hotel wohnte. Auf dem Flur vor seinem
Zimmer drängte sich eine Menschenmenge. Ich quetschte mich, wie in der Moskauer
Straßenbahn fleißig geübt, hindurch und betrat den Raum. Kennan saß hinter
einem Wall von Papieren, Karten, Formularen und Gott weiß was sonst noch. Ich
sagte ihm, er sehe ziemlich ermüdet und zersorgt aus. Er lächelte gequält. »Ach
ja, es gibt allerhand zu tun. Ich muß die Mietverträge ausarbeiten und von
Washington die Genehmigung zum Unterzeichnen einholen. Die Leute draußen
bewerben sich alle um Arbeit und müssen interviewt werden. Tag für Tag muß ich
tausend Fragen beantworten. Nach fünfzehn Jahren ohne Botschaft hat sich von
allein ein Berg an Arbeit angehäuft. Und vieles davon ist dringend — oder
scheint es wenigstens den Betroffenen zu sein.«
»Kann ich Ihnen nicht irgendwie
helfen?« fragte ich.
»Wir sind vom State Department noch
nicht befugt, jemanden einzustellen. Aber trotzdem herzlichen Dank.«
»Na,
ich habe auch keine feste Anstellung gemeint. Es sieht nur so aus, als ob Sie
ein bißchen Hilfe brauchen könnten.«
»Die
Bestimmungen erlauben mir nicht mal, freiwillige Hilfe anzunehmen, aber« — er
überlegte einen Moment — »haben Sie eine Ahnung davon, wie hier in Moskau die
Zollregelung gehandhabt wird?«
»Ich selber habe einen Koffer durch
den Zoll geschleust«, erwiderte ich, »es hat ungefähr zwei Monate gedauert, und
ich glaube, ich habe bei der Gelegenheit jeden getroffen, der irgendwann einmal
dienstlich mit dem Moskauer Zollamt zu tun gehabt hat. Ein paar Bürodiener
mögen mir allenfalls entgangen sein. Den Koffer aber habe ich.«
Kennan zögerte noch. »Die größte
Schwierigkeit ist im Augenblick folgende: Von Amerika aus sind vierzig Waggons
mit Einrichtungsgegenständen für die neue Botschaft unterwegs. Washington hat
mir einfach geraten, die ganze Angelegenheit der Moskauer Expreßgutabfertigung
zu übergeben — aber so was gibt es hier gar nicht. Das State Department scheint
nicht zu bedenken, daß in einem sowjetischen
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