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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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Staat alles ein bißchen anders
ist. Sie werden schließlich schon noch darauf kommen«, fügte er etwas forciert
munter hinzu, »aber im Anfang ist es für uns hier an Ort und Stelle nicht so
ganz einfach.«
    »Vierzig Waggons«, wiederholte ich
überwältigt, »vierzig Waggons voll was?«
    »Vierzig Waggons voll Möbel für die
Botschaft und die Zimmer des Personals und natürlich auch die Einrichtungen für
die Kanzlei.«
    »Kanzlei? Was ist denn das?«
    »Die Kanzlei enthält die Büros einer
Botschaft. Unsere kommt in das Gebäude nebenan, das gerade fertiggestellt
wird.«
    »Ja, aber das Haus hat ja noch nicht
einmal ein Dach. Wo soll denn der ganze Krempel solange aufbewahrt werden?«
    »Eben — darum müssen wir uns ja
kümmern! Lagerräume beim Zoll besorgen. Vielleicht könnten Sie sich mal mit der
Sache befassen und mir berichten, wie die Bestimmungen genau lauten, welche
Papiere beschafft werden müssen und so weiter. Ich gebe Ihnen eine
Bescheinigung, daß Sie mich vertreten. Es ist gegen die Vorschrift, aber zum
Teufel mit allen Vorschriften!«
    Kurze Zeit darauf eilte ich meiner
ersten Aufgabe im Dienste der Botschaft nach.
    Der Chef der Zollabteilung empfing
mich in seinem hellen, gekalkten Büro im Zollamt auf dem Bahnhofsplatz, an dem
nebeneinander der Leningrader und der Nordbahnhof und ihnen gegenüber der rote
Ziegelbau des Kasaner Bahnhofes liegen. (Acht Jahre später verließ ich in einer
regnerischen, düsteren Nacht vom Kasaner Bahnhof aus Moskau für immer, während
deutsche Flugzeuge den Platz bombardierten.)
    Der Zollchef war ein riesiger alter
Herr, an die zwei Meter groß und beinahe so breit. Sein grauer Bart wallte ihm
fast bis auf den mächtigen Bauch. Dazu war er ebenso liebenswürdig wie
imposant, behandelte mich mit dem Charme des Diplomaten der guten alten Schule
und lauschte intensiv meinen Problemen. Ich setzte sie ihm, so gut ich es in
meinem grammatisch nicht gerade einwandfreien Russisch konnte, auseinander.
    Als ich auf die vierzig Wagen zu
sprechen kam, entspannte sich seine Haltung etwas, und er lächelte. »Vierzig
Tage, sagen Sie? Weshalb sollen wir uns dann jetzt schon den Kopf zerbrechen?
Da haben wir ja noch so viel Zeit! Wenn Ihr Gepäck ankommt, werden wir Sie
benachrichtigen, und Sie schicken einfach einen Boten mit den notwendigen
Papieren her.«
    »Nicht vierzig Tage, vierzig Wagen«,
sagte ich.
    »Vierzig Wagen? Eine enorme Menge für
eine einzige Botschaft — aber so sind die Amerikaner nun mal. Ja, ja, wir
wissen schon Bescheid: gehen nicht gern zu Fuß, wie? Na, wenn es dem
Kommissariat für Auswärtige Angelegenheiten recht ist, haben wir bestimmt
nichts dagegen. Sobald sie ankommen, schicken Sie uns die Chauffeure.
Schwierigkeiten entstehen da keine.«
    »Nein! Nein! Nicht Wagen, keine Autos,
Eisenbahnwagen — Waggons.«
    Jetzt wurde der Zollchef etwas
ungeduldig. »Was, zum Donnerwetter, macht denn eine Botschaft mit vierzig
Eisenbahnwaggons? Wollen Sie sich etwa eine eigene Bahn bauen? Oder sollen sie
ein Geschenk für das Transport-Kommissariat sein? In dem Fall wird sich das
Kommissariat schon selber um den Zoll kümmern.«
    Ich versuchte krampfhaft, »vierzig
Waggons voll Möbel« auf russisch zu sagen. Während all der Wochen meines
Studiums war diese Phrase nie in meinen Lektionen vorgekommen. Ich zeigte auf
den Schreibtisch des Zollchefs, auf seinen Stuhl, die Couch, den Tisch und all
die anderen Einrichtungsgegenstände des Raumes.
    »Fünfmal soviel ist eine Waggonladung
voll. Morgen, übermorgen oder doch sehr bald werden zweihundertmal soviel Möbel
für die Botschaft ankommen — hier am Zollamt eintreffen.«
    Der Zollchef hörte auf zu lächeln. Er
hat mich, einen Moment zu warten, und ließ seinen Assistenten kommen. Der
Assistent, ein junger Mann, groß und dünn und müde blickend, kam und setzte
sich neben seinen Chef. Dieser forderte mich auf, das Gesagte zu wiederholen.
    Als ich schloß, entstand eine lange
Stille, während derer sich Chef und Assistent gegenseitig anstarrten.
    Der Assistent sprach als erster: »Das
ist ein völlig neues Problem für uns. Wir haben hier sonst nur mit kleineren
Dingen zu tun. Mit privatem Hand- oder Reisegepäck. Eine ganze Botschaft auf
einmal — das ist noch nie dagewesen! Große Sendungen sind immer für einen Trust
bestimmt oder für ein Kommissariat, auf alle Fälle also für die Regierung. Sie
werden gleich an die betreffenden Werke oder Fabriken selbst geschickt. Alles,
was wir davon sehen,

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