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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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Moskauer Aufgaben
vorbereitet hatte. Nun endlich war der Zeitpunkt gekommen, das Gelernte
nützlich anzuwenden.
    »Trauen Sie es sich zu, Chip, Louise
in die Stadt zu fahren und ihr zu helfen, alles noch Fehlende einzukaufen?«
    Die Schule für orientalische Sprachen
war nicht auf Vokabeln für ausgefallene französische Gewürze spezialisiert.
Zudem hatte Chip sich sein Leben lang krampfhaft bemüht, allem, was »Küche«
hieß, möglichst fernzubleiben.
    Als er einige Stunden später von
seinem ersten Dienstgang zurückkehrte, sah er leicht grün aus.
    »Na, wie ging’s?« erkundigte ich mich.
    »Och, nicht halb so schlimm, wie ich
dachte. Die Gewürze gab’s in keinem einzigen Laden, und das russische Wort für
‘Kleiderbügel’ kannte ich Gott sei Dank.«
    Ich weiß noch, daß ich mich damals
fragte, ob der Versuch, einen französischen Küchenchef an Moskauer Verhältnisse
zu gewöhnen, wirklich die ganzen Umstände wert sei; doch ereignete sich wenige
Monate später etwas, das meine Ansicht änderte. Ein weiterer Botschaftsbeamter,
Eddy Page, der mit Chip zusammen in Paris studiert hatte, traf mit seiner
jungen Frau Terry in Moskau ein. Terry hatte mittlerweile über das, was sie
hier erwartete, eine ganze Masse gehört und sich nach allen Seiten gegen
Betriebsunfälle und Pannen gesichert. Wir hatten ihnen vorher ihre neue Wohnung
möglichst nett eingerichtet und mit allem Wichtigen versehen — inklusive einer
einheimischen Köchin, frisch vom Kolchos. Zu der Zeit bestand bereits die
Möglichkeit, innerhalb der Botschaft selber verschiedene amerikanische
Lebensmittel zu kaufen. Die Pages hatten kaum ausgepackt, als sie schon in den
Verkaufsraum eilten, um auch noch das letzte zur Komplettierung eines
neugegründeten Musterhaushalts zu erstehen. Terry kaufte die Gewürze und die
Konserven, Eddy den Cocktail-Zubehör und die Tennisbälle. Innerhalb einer knappen
Stunde setzten sie sich bereits zur ersten Mahlzeit im neuen Heim nieder.
Irgendeine Büchsensuppe wurde serviert und gegessen. Dann folgte eine lange
Pause. Während sie auf den nächsten Gang warteten, hörten sie die Köchin in der
Küche erbost vor sich hin knurren. Schließlich stürzte sie ins Eßzimmer, in der
einen Hand einen Stieltopf, in der anderen eine Gabel schwingend.
    »Sie wollen nicht weich werden, sag’
ich Ihnen! Diese verdammten amerikanischen Kartoffeln wollen und wollen einfach
nicht weich werden!«
    Sie fuchtelte mit dem Stieltopf unter
Terrys Nase herum und pickte mit der Gabel nach den »Kartoffeln«. Auf dem
sprudelnden Wasser hüpften munter Eddys Tennisbälle herum.
    Aber zurück zum Spaso-Haus, wo der
Botschafter sich abmühte, auf Moskauer Art Haus zu führen. Nachdem wir den
Bogen erst einmal heraus hatten, erwies es sich als ziemlich einfach, ein paar
»Schwarzarbeiter« — wie man in Moskau die Gelegenheitsarbeiter nennt — zu
erwischen und sie die Möbel und Büroeinrichtungen an Ort und Stelle schleppen
zu lassen. Doch dann kam ein riesiger Geldschrank an. Etliche Schwarzarbeiter
wurden mobilisiert, und der Geldschrank wurde aus dem Wagen auf einen Lastwagen
gezerrt und geschoben und zum Spaso-Haus transportiert. Hier brachten wir es
fertig, ihn vom Wagen herunterzuwuchten, ohne dabei mehr als ein, zwei Zehen zu
zerquetschen, und bekamen ihn sogar erfolgreich in die Haustür. Inzwischen war
es ziemlich spät geworden. Die Schwarzarbeiter warfen einen Blick auf den trüben
Schimmer, der im Winter in Moskau die Sonne vertritt.
    »Feierabend!« verkündeten sie stur.
    »Ja — ihr könnt doch den Geldschrank
nicht mitten in der Haustür stehenlassen! Der Botschafter hat Gäste zum Essen,
und es ist unmöglich, vorbeizukommen.«
    »Feierabend«, wiederholten sie mit
einem Achselzucken, welches deutlicher als Worte sagte, daß sie die Gäste des
Botschafters für sein Problem hielten. Dann drehten sie sich um und
marschierten über die Auffahrt hinaus ab. In solchen Situationen blieb nur
eines übrig: den Chef des Protokolls anzurufen. Neben seiner Position als
Empfangschef von Rußland war dieser nämlich auch für das Wohlergehen — oder wie
man es immer nennen mag — des gesamten Diplomatischen Korps verantwortlich. Er
sagte, es täte ihm sehr leid, doch sei es weder seine noch seiner Kollegen
Stärke, Geldschränke zu verrücken. Auf alle Fälle jedoch werde er sich bemühen,
morgen früh jemanden dafür zu finden.
    Wir hielten Kriegsrat ab und faßten
den für den Moment einzig brauchbaren Entschluß: Der

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