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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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Junggeselle und sei es
auch zeit seines Lebens gewesen. Innerhalb vier Tagen nach seiner Ankunft
entdeckten wir jedoch auf dem Heuschober eine bei uns später als »Babuschka«
bekannte alte Frau. Auf unsere vorsichtigen Erkundigungen nach Herkunft und
Aufenthaltszweck zwirbelte Panteleimon nur seinen langen grauen
Kavallerieschnurrbart und meinte beiläufig: oh, eine gute Freundin seiner
Familie, die ihn besuchte! Als uns die Deutschen fast fünf Jahre später aus
Moskau verjagten, war sie immer noch zu Besuch da.
    Eines Tages luden wir einen alten
deutschen General zu einem Ritt ein. Während Panteleimon die Pferde sattelte,
erzählte er unserem Gast, er habe an der Schlacht bei Tannenberg teilgenommen.
Der Deutsche spitzte die Ohren und fragte ihn, welcher russischen Division er angehört
habe. Er selber hatte ebenfalls bei Tannenberg gekämpft.
    »Seiner Kaiserlichen Majestät fünfter
Garde-Kavallerie-Division!« schmetterte Panteleimon.
    »Ja, aber wie sind Sie denn da
entkommen?»erkundigte sich der General verblüfft. »Zufällig weiß ich, daß
gerade diese Division bis auf den letzten Mann aufgerieben oder
gefangengenommen worden ist.«
    »Sir«, sagte Panteleimon, sich in die
Brust werfend, »mein Vater hat mich zum Rennreiter erzogen!«
    Als wir die Pferde bekamen, konnten
wir die örtlichen Autoritäten davon überzeugen, daß wir eine Kolchose bildeten
und infolgedessen berechtigt seien, das Futter zu billigen Regierungspreisen zu
kaufen. Zwar hatten die Ortsgewaltigen zunächst gezögert, doch als wir sie
fragten, ob sie vielleicht jemals von einem Privatstall in der Sowjetunion
gehört hätten, bekannten sie entsetzt, sich ein solches Phänomen überhaupt
nicht vorstellen zu können. Weiterhin gaben wir zu bedenken, welch seltsamen
Eindruck es machen würde, wenn die landwirtschaftlichen Statistiken plötzlich
vom Bezirk Moskau berichten müßten, er sei nur mehr zu 99,9 Prozent
kollektiviert! Sie kratzten noch ein bißchen auf ihren Schädeln herum, brummten
aber schließlich ihr Einverständnis, und wir bekamen unseren Hafer zum
Regierungspreis. Einige Jahre lang klappte die Sache vorzüglich, doch dann
begann irgend so ein schnüffelnder Inspektor unsere rechtliche Lage etwas näher
zu betrachten, ließ die Juristen ein Weilchen ihre dicken Bücher wälzen und
traf den Entscheid, daß wir in Wirklichkeit reiche Grundbesitzer oder Kulaken
und lediglich aufgrund unserer diplomatischen Immunität noch nicht liquidiert
worden seien. Kulaken jedoch, so verordnete er, könnten Hafer nur auf dem
freien Markt kaufen.
    Mittlerweile war die Datscha zum
Treffpunkt fast sämtlicher Moskauer Diplomaten geworden. Zweimal wöchentlich
empfingen wir Gäste. Kollegen aus der Hälfte aller Länder der Welt strömten zu
uns hinaus, um im Sommer Tennis zu spielen, im Winter Ski oder Schlittschuh zu
laufen. Für ihre Aufwartung hielten wir einen Stab von acht bis zehn
dienstbaren Geistern, und der Keller mußte natürlich andauernd wieder
aufgefüllt werden. Zur Bestreitung der Unkosten steuerte Uncle Sam die
fürstliche Summe von hundert Dollar jährlich als »Aufwandsentschädigung« bei.
Sie reichte genau für eine Monatsmiete aus.
    Als uns der Pferdefutter-Trust
mitteilte, daß wir unser Heu und Stroh künftig auf dem freien Markt zu kaufen
hätten, wo die Preise etwa viermal so hoch waren als die bisher bezahlten, sah
es verteufelt danach aus, als würden wir im Endeffekt doch wie alle anderen
Kulaken liquidiert werden. Doch einige unserer Kollegen kamen uns zu Hilfe. Die
Engländer und die Deutschen erklärten sich bereit, je ein halbes Pferd zu
kaufen. Dieses System bewährte sich großartig bis zum Kriegsausbruch 1939. Da
freilich erhob sich umgehend die Streitfrage, welcher Teil des Pferdes wem
gehöre. Die Tatsache, daß wir den Mist an einen Kolchos verkauften, machte die
Sache noch schwieriger, da sich aufgrund dessen bedeutende Differenzen in den
Unterhaltskosten von Kopf- und Schwanzende ergaben. Wochenlang tobten die
Auseinandersetzungen hin und her, noch weiter kompliziert dadurch, daß die
Deutschen nicht mehr mit ihren früheren englischen Freunden sprechen konnten
und die Engländer strikt instruiert waren, »zu grüßen, aber nicht zu lächeln«,
wenn sie ihren feindlichen Kollegen begegneten. (Ich persönlich habe es immer
effektvoller gefunden, zu lächeln und nicht zu grüßen, doch das Foreign Office
dachte darüber anders.) Die Streitigkeiten wurden schließlich durch ein
Ultimatum meinerseits

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