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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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er
meinte.
    »Tut mir leid, Yang, tut mir
schrecklich leid, aber erst in vier Tagen kannst du in New York wieder vom
Schiff heruntergehen. Nun leg dich schön in einen Liegestuhl und gewöhn dich
daran.« Er legte sich gehorsam hin, doch gewöhnt hat er sich nie daran.
    Ein paar Tage später kamen wir in
Washington an. Während wir in einem Taxi vom Bahnhof fuhren, starrte Yang auf
all die ungewöhnlichen Bilder vor dem Fenster. Plötzlich erblickte er einen
Neger.
    »Da, Master, da!« Seine Stimme schlug
vor Begeisterung in ein Piepsen um, »Mann ganz schwaaz!« Zur näheren Erklärung
wies er aufgeregt auf seine eigenen gelben Backen. Yang befreundete sich
schnell mit den weißen, gelben und schwarzen Gesichtern von Washington, und
bald wurde unsere Küche zum geselligen Treffpunkt der ganzen Straße. Eines
Abends hörte ich beim Lesen seltsame Geräusche aus der Küche herauftönen. Von
Zeit zu Zeit ging eine zweistimmige Lachsalve hoch, der jedesmal tiefes
Schweigen folgte, bis wieder eine neue Welle brausenden Gelächters über die
Treppe zu mir heraufschwoll. Was mir an der Geschichte so spanisch vorkam, war,
daß kein Wort gesprochen wurde. Es ließ mir keine Ruhe. Ich ging nachsehen und
fand Yang mit einem anderen Chinesen am Küchentisch sitzend und eifrig
chinesische Buchstabenzeichen auf kleine Papierfetzen kritzelnd. Als ich im
Türrahmen auftauchte, erklärte mir Yang hastig:
    »Mein Fleund, er Kantonese. Mich
Mandschulee. Ich nix verstehen, was er sagen. Er nix verstehen, was mich sagen.
Aber schleibe verstehen gut.« Die Überlegenheit des Zeichenschreibens über das
phonetische Alphabet war schlagend bewiesen.
    In Washington blieben wir nicht lange,
sondern waren sehr bald schon wieder auf einem anderen großen Schiff unterwegs
— diesmal in Richtung Hamburg.
     
    Es war Sommer 1939, und die
alljährliche Kriegspsychose näherte sich rapide dem Siedepunkt — diesmal dem
wirklichen. Die Hamburger Stadtväter begannen Notbrunnen anzulegen. In den
Parks gruben Arbeiter Laufgräben. Hausbesitzer fingen an, ihre Kellerfenster
mit Sandsäcken zu schützen. Yang war von Kindheit an die Guerillafehden der
großen mandschurischen Kriegsherren gewöhnt und machte durchaus keinen Hehl aus
seiner Verachtung für all die komplizierten Vorsichtsmaßnahmen, die ergriffen
wurden, bloß weil es einen neuen Krieg geben sollte. Abgesehen davon hatte er
einen lebhaften Widerwillen gegen alle Deutschen entwickelt. »Deutschi« nannte
er sie herablassend. Aber Yang mochte überhaupt keine «Fremden«, worunter er
alle Menschen außer Mandschus, Amerikanern und — aus unerfindlichen Gründen —
den Russen verstand. »Deutschi«, knurrte er, »alle bang vor Klieg. Deutschi
viel schlech, für Jude. Deutschi viel lach über Chinese. Abel allemal bang vol
Klieg.«
    Er weigerte sich stur, dem Hauswirt
beim Ausbau des Luftschutzkellers in unserem Mietshaus zu helfen. »Deutschi
bang voll Fliggzeug. Yang nicht bang vol Fliggzeug.« Ich setzte ihm
auseinander, daß er — ob ängstlich oder nicht — nach dem Gesetz verpflichtet
sei, beim Bau des Luftschutzkellers zu helfen. Sehr ungnädig und beständig vor
sich hin brummend, gab er nach. »Deutschi doch dammn viel feig!« Und
dann kam der Krieg und kurz nachher der erste englische Fliegerangriff auf
Hamburg. Ich stand im Pyjama auf dem Balkon meiner Wohnung und beobachtete die
pompösen, aber erfolglosen Versuche der deutschen Flak, die Engländer
abzuschießen. Hinter mir wurde das Klappern von Sandalen laut, und Yang
erschien.
    »Yang, ich habe dir wohl zehnmal
befohlen, beim Fliegerangriff in den Keller zu gehen. Runter mit dir, ehe du
eingesperrt oder verwundet wirst!«
    Im Licht der Leuchtspurgeschosse
konnte ich Yang lächeln sehen.
    »Master nich gehen Keller, Yang nich
gehen Keller«, sagte er eigensinnig.
    »Ich brauche nicht in den Keller zu
gehen. Vizekonsuln gehen nie in den Keller. Aber du mußt! Außerdem — du
könntest verwundet werden.«
    Doch Yang rührte sich nicht.
    »Yang nich gehen nach unten. Klieg
machen Yang nich bange. Wenn Inglisi machen viel Deutschi tot, dann kann auch
Yang tot machen.«
    Allmählich flogen die englischen
Bomber wieder ab, und das Schießen hörte auf. Erst dann erklärte sich Yang
bereit, in sein Kämmerchen hinter der Küche zurückzuschlurfen. Ein, zwei Tage
später beendete ich gerade mein Frühstück auf dem Balkon, als ich Yang in
seinem langen blauen Rock in flottestem Tempo die Straße hinaufrennen sah. Da
er es in der

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