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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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Regel alles andere als eilig hatte, beobachtete ich ihn neugierig,
um die Ursache dieser ungewöhnlichen Hast festzustellen. Sekunden später raste
ein halbes Dutzend Hausfrauen um die Ecke. So schnell ihre rundlichen Körper es
nur zuließen, rannten sie hinter Yang her. Der aber hatte einen guten Vorsprung
und lief durchs Tor, die Treppen hoch und durch die Tür, ehe die erste der
Sturmschar auch nur in Höhe des Hauses angekommen war. Sie sah böse herauf,
brummte ihren Begleiterinnen etwas zu und wandte sich dann zum Gehen.
    Ich ging in die Küche und erkundigte
mich bei Yang, was er angestellt habe.
    »Nix, Master, nix. Yang nich tun nix«,
versicherte er und lächelte etwas dämlich.
    »Weshalb
sind dann diese Frauen hinter dir hergerannt?«
    »Ich
nix wissen. Hausflau vielleicht viel dumm.« Er brach in ein enormes Grinsen
aus. Da mir klar war, daß ich nichts weiter aus ihm herausbekommen würde, ließ
ich die Sache auf sich beruhen.
    Am Abend, kurz nach dem Essen,
schellten sechs ältliche Arbeiter, in Sonntagsanzügen und frisch rasiert, an
der Wohnungstür und verlangten den Herrn Vizekonsul zu sprechen. Yang führte
sie herein und blieb hinter meinem Sessel stehen, während sie sich vor mir
aufreihten und sich respektvoll verbeugten. Ich bat sie, sich zu setzen; doch
lehnten sie ab.
    Der Sprecher der Gruppe erklärte, sie
seien gekommen, um den Herrn Vizekonsul ergebenst zu bitten, seinen
chinesischen Diener für einen Zwischenfall zu bestrafen, der sich heute morgen
auf dem Markt zugetragen habe. Es ergab sich, daß die Frauen der sechs Arbeiter
mit dem Koch des Herrn Vizekonsuls zusammen in einer Schlange gestanden und —
wie natürlich — die kriegerische Situation besprochen hatten, ja, daß sie sogar
den Koch um seine Meinung angegangen waren. Dieser habe jedoch eine höchst
beleidigende Äußerung getan und sei, als sie protestierten, weggerannt. Sie
würden es nun zu schätzen wissen, wenn der Herr Vizekonsul seinen Koch
veranlaßte, sich zu entschuldigen.
    Ich blickte Yang an. Er grinste von
einem Ohr zum anderen, sagte aber nichts. Mir war klar, daß er auch weiterhin
nichts zur Erleichterung der Situation beisteuern würde. Ich befand mich in
einer unangenehmen Zwickmühle. Entweder geriet ich mit der örtlichen
Bevölkerung aneinander, oder ich mußte Yang zwingen, auf eine für ihn
katastrophale Art sein »Gesicht« zu verlieren. Nach kurzem Überlegen wandte ich
mich an die sechs Männer.
    Es sei mir nicht bekannt, sagte ich,
daß es Fremden verboten wäre, ihre Ansichten über die Kriegssituation oder
irgendwelche sonstige deutsche Situationen zu äußern, besonders wenn man sie
danach frage. Sollte es jedoch eine solche Beschränkung der Meinungsäußerung
geben, so sei es Sache der städtischen Behörden, mich darüber zu informieren,
nicht aber die einer Delegation einzelner Bürger. Falls die Herren Wert darauf
legten, würde ich ihnen den Rat geben, ihre Beschwerde auf dem ordentlichen und
rechtmäßigen Wege über die entsprechende städtische Dienststelle einzureichen.
Wenn man es dort für gegeben erachte, könne man die Angelegenheit mit mir
besprechen.
    Die Männer protestierten etwas, sahen
jedoch die Logik meiner bürokratischen Rede ein und zogen sich, nach einer
Reihe von Verbeugungen, zurück.
    Nachdem Yang sie zur Tür geleitet
hatte, rief ich ihn zu mir. »So, Yang, und jetzt erzähl mir gefälligst ganz
genau, was heute morgen auf dem Markt vorgefallen ist, oder wir geraten
ernstlich aneinander.«
    »Ich
nix getan, Master, nix«, entgegnete Yang, immer noch grinsend, »ich bloß stehen
in Schlange und walten, bis können kaufen Fisch, und alte, fette, gloße
Hausflau mich flagen, wie schnell Deutschi gewinnen Klieg. Das sein alles!«
    »Na,
und was hast du gesagt?«
    »Ich
nix viel sagen, Master. Ich bloß lachen und flagen fette Hausflau: Du denken,
Deutschi gewinn Klieg? Haha!«

Krieg
     
     
     
    Die Auswirkungen des Kriegsausbruches
1939 machten sich im Generalkonsulat auf recht andere Art bemerkbar als auf dem
Hamburger Fischmarkt. Den ganzen Sommer hindurch waren Touristen aus Amerika zu
Studienreisen oder Verwandtenbesuchen nach Europa eingeströmt. Als sich mit
fortschreitender Jahreszeit die allmähliche Krisis zuspitzte, machten wir den
Reisenden immer deutlichere Anspielungen, um sie zur Umkehr zu veranlassen, ehe
es zu spät war. In den letzten Augusttagen empfingen wir jedes Schiff bereits
im Hafen und versuchten, die Ankommenden von den Gefahren einer

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