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Bären im Kaviar

Bären im Kaviar

Titel: Bären im Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles W. Thayer
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einen
zerfetzten, schmuddeligen gelben Schaffellmantel gegen einen Pfosten lehnen.
Ein Paar funkelnder schwarzer Augen blickte mir hinter langen, öligen
Wollfransen entgegen.
    Als ich in Höhe des Pfostens ankam,
wurde der Mantel blitzartig lebendig, und eine Flinte mit Bajonett piekte mich
gegen den Bauch.
    »Stoj!«
    Ich hatte schon gewisse Erfahrungen
mit sowjetischen Grenzwachen gesammelt und glaubte, die meisten Tricks für den
Umgang mit ihnen zu kennen. Annäherung Nummer eins bestand aus einem herzhaften
Lächeln und kräftig-munteren »Hallo, Genosse!« Ich erklärte dem guten Mann
sodann, daß mir seine Regierung ein Visum erteilt habe, eine schriftliche
Erlaubnis, die Brücke zu überqueren. Der Wächter rührte sich nicht von der
Stelle — und das Bajonett auch nicht. Ich zog meinen Paß hervor und hielt ihn
ihm über den Flintenlauf entgegen. Er schlug meine Hand mit dem flachen
Bajonett zurück und grunzte drohend: »Hat mir niemand was von Ihn’ gesagt.
Schern Sie sich dahin, wo Sie hergekommen sind!«
    Annäherung Nummer zwei war härter,
strenger: »Posten — holen Sie den Kommandanten der Wache, und benehmen Sie sich
gefälligst, wie es sich gehört!«
    Das Bajonett bohrte sich tiefer in
meinen Mantel, und der Posten bellte: »Gehen Sie zum Teufel!«
    »Mann, ich habe die Genehmigung
Stalins, hier durchzugehen — schriftlich sogar!«
    »Genosse Stalin hat mir nichts davon
gesagt, und bevor er’s nicht tut, kommen Sie da, wo ich Wache stehe, nicht
durch!«
    Mittlerweile war es dunkel geworden,
und die Zahl meiner Grenzübergangtricks schrumpfte zusammen. Also wanderte ich
zurück zum Holzschuppen auf der persischen Seite des Flusses und fragte den
schläfrigen Posten nach dem Telefon, um die russische Dienststelle anzurufen.
Das nächste Telefon sei zwei Meilen weiter im Dorf, erklärte er mir. »Dann
werde ich in Gottes Namen zurückgehen müssen und von dort aus anrufen«, seufzte
ich und setzte mich auf das Städtchen zu in Bewegung. Mit einem Satz war der
Perser vor mir. Diesmal kitzelte eine persische Flinte meine Mantelknöpfe. »O
nein — das werden Sie nicht! Sie sind aus Persien ‘rausbefördert und können nur
mit einem neuen Einreisevisum zurückkommen.«
    »Aberhören Sie doch mal zu, mein
Lieber: Die Russen wollen mich jenseits nicht von der Brücke lassen, Sie
hindern mich diesseits daran — was soll ich denn machen? In den Fluß springen?«
    Der Posten lächelte. »Inschallah«,
bemerkte er endgültig. Dann begann er stehenden Fußes wieder einzuschlafen, die
Flinte schön akkurat auf meinen Bauch gerichtet.
    Ich tippelte bis zur Brückenmitte
zurück und sank erschöpft auf den Haufen Koffer und Aktentaschen. Der Wind war
stärker geworden, und das alte Gerüstwerk begann zu schwingen und zu stöhnen.
Im Abgrund unter mir schäumte und wirbelte der Fluß Aras über die Felsbrocken
seines flachen Bettes. Alles in allem war die Situation nicht besonders
erfreulich. Es hatte schon früher Zeiten gegeben, in denen Grenzposten und
Polizisten meinen Weg zu einer Sackgasse gemacht hatten, jetzt aber war ich zum
erstenmal in einer Sackgasse, die an beiden Enden zu war. Ich versuchte,
mir eine neue Annäherungsmethode auszudenken. Der höfliche alte Perser war das
Produkt einer uralten und augenscheinlich trägen Kultur. Der schaffellumhüllte
Russe auf der anderen Seite war das Produkt des jüngsten, frechsten und
rücksichtslosesten Systems der Welt. Nichtsdestoweniger handelten beide trotz diesem
Unterschied gleich wirkungsvoll — und unansprechbar. Es schien nichts anderes
übrigzubleiben, als zu warten. Hatte der orientalische Fatalismus auch nur im
entferntesten recht, so mußte irgendwann einmal etwas von selber passieren.
    Eine weitere Stunde etwa war
vergangen, als in der Tür des russischen Wachthauses Licht aufschimmerte und
die Ablösung heraustrat. Ich sprang auf, rannte hin und platzte mitten in den
feierlichen Vorgang. Vermutlich tauschten sie gerade Parolen aus, als ich ihnen
zubrüllte: »He! Ich habe ein Visum zum Grenzübertritt bei mir — lassen Sie mich
um Gottes willen durch!«
    Drei Flintenschlösser klickten
gleichzeitig, und eine besonders ungnädige Stimme — zweifellos mindestens einem
Sergeanten gehörig — polterte: »Zivilist, verschwinden Sie!« Es blieb mir
nichts anderes übrig, als hilflos und zerschmettert zu meinem Diplomatengepäck
zurückzukriechen und dort zu versuchen, mich notdürftig gegen den Wind zu
verbarrikadieren, der mittlerweile

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