Bärenmädchen (German Edition)
bemerkbar machen sollte. Aber irgendetwas hielt sie davon ab. Vielleicht weil Ines so verstohlen tat. Sie blickte sich vorsichtig um, ob niemand in der Nähe war. Dann begann sie zu harken. Allerdings tat sie dabei immer wieder Seltsames. Regelmäßig kniete sie nieder und küsste den Boden. Erst dann ließ sie die Harke ein, zweimal durch den Sand fahren. So arbeitet sie sich langsam zum Parkplatz vor, dorthin wo Rockenbachs Auto abgestellt war. Und da verstand Anne. Ines küsste die Fußabdrücke, die Rockenbachs Schuhe heute Morgen hinterlassen hatten!
Aber das war Irrsinn. Das war krank – sogar hier an diesem Ort. Jetzt war Anne doch versucht ein lautes protestierendes, schrilles Wiehern auszustoßen. Einfach, um Ines zu zeigen, wie verrückt sie sich gerade verhielt. Da hörte sie den Pfiff. Ines hatte ihn ebenfalls vernommen. Da sie gerade gekniet hatte, sprang sie auf. Es war Rockenbachs spezieller Pfiff, mit dem er sie zu sich rief. Hektisch sah Ines sich um. Anne drehte ihren Kopf jetzt so weit nach rechts, dass sie glaubte, er würde ihr gleich abfallen. Aber dann sahen sie ihn beide fast gleichzeitig. Er stand vor dem kleineren Nebengebäude, an der Tür zum Fitnessraum der Stuten. Wie lange mochte er Ines da schon beobachtet haben? Wie Anne stand er im Schatten eines Vordaches, so dass auch er kaum zu sehen war.
Ines ließ die Harke fallen, dann ging sie zu ihm hin. Schuldbewusst sah sie aus. Anne konnte sogar aus der Entfernung sehen, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. „Wofür schämst du dich, Ines?“ dachte sie unwillkürlich. „Dafür, dass du deinen Herrn vergötterst?“
Als sie dann vor Rockenbach stand, begann er zu reden. Der Wind trug Wortfetzen herüber.
„Machst‘ das jedes Mal?“, wollte er wissen. Ines nickte. Sie schaute verschämt auf den Boden. Da packte er sie plötzlich so fest an den Armen, dass Ines erschrocken aufschrie. Aber er zog sie nur zu sich heran und küsste sie. Grob sah das aus und unbeholfen, aber Ines erwiderte den Kuss mit einer wilden Leidenschaft, die Anne nie bei ihr vermutet hätte. Erst wusste das Mädchen nicht, was sie mit ihren ungebundenen Armen anstellen sollte. Kurz verschränkte sie sie gewohnheitsmäßig auf ihrem nackten Po. Dann wedelte sie mit ihnen unsicher in der Luft herum. Das sah fast komisch aus, aber dann traute sie sich endlich und umschlang damit ihren heißgeliebten Herrn.
Der Kuss wollte gar nicht aufhören. Annes Muskeln an Nacken und Hals begannen unerträglich zu schmerzen, und so musste sie schließlich den Kopf wieder nach vorne drehen. Sie starrte gegen die Wand und spürte erst jetzt, dass ihr Tränen über das Gesicht liefen. Heiß und innig dachte sie an Adrian. Hätte sie doch jetzt nur Fußspuren von ihm. Sie würde nicht eine Sekunde zögern und genau das gleiche wie Ines tun. Vor allem, wenn sie damit so eine wunderbare Szene heraufbeschwören konnte, wie es ihre Freundin eben getan hatte.
Vorsichtig drehte sie den Kopf wieder zur Seite, aber die beiden waren fort. Stattdessen sah sie das Perserkätzchen auf sich zu rennen. Wahrscheinlich hatte ihr die andere Zofe klar gemacht, wie leichtsinnig sie sich verhielt und auch welch furchtbare Strafen sie gerade für sich herauf beschwor, als sie die ihr anvertraute Stute unbeaufsichtigt ließ. Fast mit Genugtuung sah Anne, wie erschrocken das Mädchen reagierte, als es ihr tränennasses Gesicht sah. Von wegen Kätzchen, jetzt war sie ein Vögelchen, das ratlos um sie herumflatterte, überzeugt, dass etwas Grässliches passiert war während ihrer unerlaubten Abwesenheit.
Schließlich konnte Anne es nicht mehr mit ansehen und versuchte, die Zofe mit einem sanften, leisen Wiehern zu beruhigen. Das funktionierte und aus Dankbarkeit löste das Perserkätzchen sogar die Kette, die sie mit der Wand verband. Anne konnte sich für den Rest des Straftrainings normal hinstellen. Was für eine Wohltat! Trotzdem schaffte es die Zofe noch einmal, Annes Geduld zu strapazieren. Offensichtlich erschrocken über ihren Mut, die Stute eigenmächtig loszuketten, trat das Perserkätzchen an sie heran und erklärte: „Du! Wenn! Alpha! Kommen! wieder! auf! Zehenspitzen!“
Sie sprach betont langsam und untermalte jedes Wort mit Gesten, bis sie schließlich selbst ein paarmal auf dem Fußballen umherhüpfte. Annes Augen begannen wie von selbst wild hin und her zu rollen. Was glaubte das Mädchen, wen sie vor sich hatte. Man trieb vielleicht gerade ziemlich bizarre Spielchen mit ihr, aber
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