Bärenmädchen (German Edition)
anrühren, denn dafür seien sie viel zu ungeschickt und zu dumm. Ebenso sei es ihnen von nun aber auch verboten, sich in irgendeiner Form selbst zu berühren, um sich Lust zu verschaffen.
Es war, als hätte man einen Schalter umgelegt. Anne spürte sofort und ohne es eigentlich zu wollen, ein erregtes Kribbeln. Der Gedanke, das fremde Personen sich das Recht herausnahmen, ihr die Intimste alles Berührungen zu untersagen, schien ihr plötzlich mindestens ebenso süß und herb wie die Stachelbeer-Marmelade, die sie gerade so gierig heruntergeschlungen hatte. Aber wie wollten ihre selbsternannten Herren und Herrinnen dies kontrollieren? Woher konnten sie wissen, was des Nachts unter der Bettdecke geschah?
„Fragen dazu?“, wollte die Krähe wie aufs Stichwort wissen. Natürlich traute sich weder Anne noch irgendein anderes Mädchen, tatsächlich ihre Neugier zu befriedigen. So erklärte die Krähe ihnen die Regeln, die sie fortan zu befolgen hätten. Alle Befehle, wie auch immer sie geartet seien, hätten sie unverzüglich und gewissenhaft auszuführen. Das Keuschheitsgebot habe sie bereits erwähnt und sie wüssten schon, dass sie in Gegenwart eines Alphas den Blick gesenkt zu halten hätten. An Kleidungsstücken durften sie nur noch tragen, was ihnen zugeteilt wurde. Für jede Strafe hatten sie sich zweimal zu bedanken. Einmal, wenn sie ausgesprochen wurde und zum zweiten Mal, nach dem sie vollstreckt wurde. Spürten sie den Drang, sich zu erleichtern, hatten sie die jeweilige Aufsichtsperson um Erlaubnis zu fragen. Stühle, Sofas und andere Sitzgelegenheiten waren für sie als Betas tabu. Ihr natürlicher Sitzplatz sei der Fußboden, außer etwas anderes würde ausdrücklich befohlen. Gleich wo sie sich niedergelassen hatten, ihre Schenkel hatten fortan immer leicht geöffnet zu sein. Beim Gehen mussten sie sich zudem deutlich in den Hüften wiegen. All dies, um ihre permanente Bereitschaft zu zeigen, den Alphas als Lustobjekte zu dienen. Das wäre derzeit zwar nicht der Fall, würde sich aber nach den vierzehn Tagen …sehr deutlich…, die Krähe ließ sich beide Wort regelrecht auf der Zunge zergehen, ändern.
Als besonders einschneidend empfand Anne die Einschränkungen, die das Sprechen betrafen. Sie durften sich nicht einmal untereinander unterhalten. Das war nur erlaubt, um Anweisungen ihrer Gebieter weiterzugeben, und auch dann hatte man sich auf das Nötigste zu beschränken.
Sobald ein Alpha das Wort an sie richtete, mussten sie in die Stehposition gehen, ebenso wenn sie selbst etwas mitzuteilen hatten. Dies mussten sie zunächst durch einen Knicks anzeigen, um dann darauf zu warten, dass ihnen Redeerlaubnis erteilt wurde. Grundsätzlich aber hatten Betas nur den Mund aufzumachen, wenn sie angesprochen wurden. Dann hatten sie stets zu antworteten und den Satz, je nach Ansprechpartner, mit Herr oder Madame zu beenden.
Die Krähe fügte hinzu: Natürlich könne jeder Alpha, wenn es ihm beliebe, jederzeit alle Regeln außer Kraft setzen. Es gäbe noch andere Ausnahmen, die – da könnten sie weiß Gott sicher sein – noch gründlich gelernt würden. Die nächsten vierzehn Tage wären angefüllt mit dem Training der Zofen-Kommandos und der Benimmregeln. Sie würden täglich unter ihrer Aufsicht Sport treiben und sich auch als Schlosspersonal in Küche, Garten und anderswo nützlich machen – zumindest dort, wo unbeholfene Gänse wie sie sie keinen Schaden anrichten könnten. Aber zurück zu ihrer Abrichtung – die Krähe sagte tatsächlich Abrichtung. Natürlich würden sie auch im Fach „Zofenkunde“ unterrichtet werden. Was das sei? Nun, das könnten sie gleich herausfinden. „Denn“, beendete die Krähe ihre Ansprache, „gleich habt ihr eure erste Stunde bei meinem lieben Kollegen, Attila von Ungruhe. Er ist euer Lehrer in Zofenkunde. Ich glaube Attila hat sich da etwas ganz besonders für euch ausgedacht.“ Die Krähe grinste spöttisch und Anne schauderte es.
„Ach ja“, fuhr die Krähe jetzt fort, „nach der Zofenkunde folgen eure Tiefeninterviews. Was das ist, werdet ihr dann schon sehen. Danach werden wir draußen auf dem Rasen vor dem Schloss Kommandos trainieren. Unsere frische Landluft wird euch gut tun. Ihr seid ja richtig blasse Stadtpflanzen, wenn ich euch so ansehe.“
Wieder dieses spöttische Vogel-Grinsen. „Ab“, krächzte sie und die Mädchen eilten hinaus in den Schlafsaal. Dort lagen neue Trainingsanzüge für sie bereit. Sie zogen sie an. Dann wurden sie
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