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Bärenmädchen (German Edition)

Bärenmädchen (German Edition)

Titel: Bärenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Berlin
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die Krähe zuckersüß und diesmal fast ohne Krächzen vernehmen. Über ihr Gesichtchen huschte ein wonnig-vergnüglicher Ausdruck, den Anne ebenso abstoßend wie besorgniserregend fand.
    Anne stellte ihre Schale mit dem Müsli wieder zurück. Bei Ines sah es fast komisch aus. Sie hatte sich ein halbes Brötchen schon fast in den Mund geschoben, als die Krähe anfing zu sprechen. Nun erstarrte sie, während ihre Augen an ihrer Stupsnase vorbei sehnsüchtig auf den Bissen schielten. Frustriert legte sie das Brötchen auf den Teller zurück.
    „Ihr werdet euer Bekenntnis von nun an vor jedem Essen aufsagen“, fuhr ihre Zofenmeisterin fort. Eine von euch spricht den Satz vor. Die anderen widerholen ihn im Chor. Die nächsten drei Mahlzeiten werde ich vorsprechen. Danach wird es jeweils eine von euch übernehmen. Also merkt euch jedes einzelne Wort gut, und ich möchte, dass ihr so laut und inbrünstig sprecht, als ginge es um euer Leben. Höre ich, dass es jemand nicht tut, fällt die Mahlzeit für ihn aus. So jetzt faltet eure Hände, denn einer Beta ist das Bekenntnis heilig wie ein Gebet.“
    Anne fragte sich, ob die Krähe den letzten Satz wirklich ernst meinte, aber da fing ihre Zofenmeisterin schon an zu deklamieren: „Hiermit bekenne ich, dass ich eine Beta bin….“
    Nackt und bloß saßen sie auf den Holzstühlen. Jede von ihnen war mit roten Striemen gekennzeichnet. Manche hatten Tränenspuren im Gesicht und alle waren sehr hungrig. Inbrünstig, wie es ihre knurrenden Mägen befahlen, sprachen sie nun nach:
     
    Hiermit bekenne ich, dass ich eine Beta bin. Eifrig und beflissen will ich allen Befehlen, Regeln und Kommandos folgen. Gehorsam werde ich jedem Alpha zu Willen sein, denn ich bin von Natur aus zum Dienen geboren. Ich weiß, dass ich schwach, faul und ungeschickt bin, daher bitte ich demütig um Strafe, Härte und Strenge. Das ist mein Glück. Das ist mein Leben. – Amen
     
    Warum geht das so leicht über die Lippen?, fragte sich Anne überrascht. War es wirklich nur der Hunger, der sie antrieb oder war da mehr? In diese bizarren Sätze konnte man hineinschlüpfen, wie in ein strenges, hochgeschlossenes Kleid. Verlockend war das, besonders wenn man tatsächlich splitterfasernackt war. Außerdem hatte sie das Gefühl, den Text schon jetzt auswendig zu können. Zu gerne hätte sie gewusst, ob es den anderen auch so erging.
    Aber nun durften sie endlich essen. Da sich keines der Mädchen traute etwas zu sagen, und auch die Krähe stumm blieb, taten sie es in vollständigem Schweigen.
    Das Essen war gut, die Brötchen knusprig, der Schinken kräftig und rauchig im Geschmack, genau wie Anne es mochte. In den Kannen vor ihnen auf dem Tisch war Kaffee, Tee, Kakao und heiße Milch. Sie war durstig und trank ihren Kaffee mit viel Milch und in großen Schlucken. Auch die anderen vertilgten hingebungsvoll, was auf ihren Tellern zu finden war. Die magere Dascha hatte besonders viel vor sich stehen, die mollige Ines am wenigsten. Recht schnell musste sie daher mit hungrigen Augen den anderen beim Essen zuschauen.
    Als dann aber auch alle anderen fertig waren, saßen sie stumm am Tisch. Ihre Hände wanderten wie von selbst, sittsam in den Schoß. Ihre Blicke hatten sie vor sich auf den leeren Teller gerichtet. Nun sprach Holly Rüschenberg zum zweiten Mal. Sie tat es leise, fast flüsternd, und doch hätte ihre Stimme nicht eindringlicher sein können. Sie mochte diesen Vortrag schon unzählige Male gehalten haben, aber das nahm ihm nichts von seiner Wirkung. Anne hörte fast wie hypnotisiert zu, als die Krähe erklärte: „Bis gestern wart ihr Lehrerinnen, Studentinnen, Frisörinnen, Arzthelferinnen und Verkäuferinnen. Ihr wart Töchter, Geliebte, Schwestern und Freundinnen. Hier im Schloss seid ihr nur noch Betas und zwar meine Betas, meine Zöglinge. Ich werde euch wehtun. Ich werde euch erniedrigen, erschöpfen und zurechtbiegen. Solange bis ihr perfekt beherrscht, was ich von euch verlange.“
    Die Krähe machte eine Pause und ließ, wie Anne unter ihren gesenkten Lidern erspähte, ihren Blick ganz langsam von einem der Mädchen zum anderen wandern. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, aber keine wagte auch nur, sich anders hinzusetzen oder sich zu räuspern. Dann fuhr die Krähe fort. Sie erklärte ihnen, dass sie nun für vierzehn Tage ihre Zofenmeisterin wäre. Danach würden sie von einem Gebieter erwählt, der ihre weitere Erziehung übernehmen würde. In diesen ersten zwei Wochen würde niemand sie

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