Bärenmädchen (German Edition)
geradezu makelloser Schönheit. Sie sah mit ihren langen brünetten Haaren wie eine französische Schauspielerin aus, die sie neulich im Kino gesehen hatte. Anne fand sie sehr sympathisch. Außerdem schmeichelte es ihr, dass gerade dieses Mädchen ihr Aussehen lobte.
„Leider ist es zu teuer für eine arme Studentin wie mich“, antwortete sie.
„Da komme ich wohl gerade recht, schätze ich“, grinste ihre neue Bekannte. „140 Euro könnte ich Dir bieten.“
Anne musste lachen und sagte dann geziert „So eine bin ich aber nicht.“
Da musste auch ihr Gegenüber losprusten. Dann erklärte sie: „Wir machen hier Marktforschung für einen Kosmetikhersteller. Er möchte ein neues Parfüm entwickeln und zunächst potenzielle Kundinnen befragen. Daher spreche ich hier wildfremde Mädchen an. Das Ganze dauert etwa 45 Minuten. Dafür gibt es eine Aufwandsentschädigung von 140 Euro.“
„Und am Ende muss ich keinen Kühlschrank kaufen?“
Das Mädchen lachte.
„Ich heiße übrigens Florence. Und einen irren Luxus-Wellness-Urlaub in einem Schloss in Moldurien im Spätsommer kannst du auch gewinnen. Das ist dort wirklich die schönste Jahreszeit. Einfach traumhaft“, gurrte das Mädchen. „Ist doch kein schlechter Lohn für 45 Minuten Arbeit, in denen nur ein paar harmlose Fragen zu beantworten sind?“
Anne gab gerne nach. „Okay, du hast mich überredet“, sagte sie.
Gemeinsam gingen sie wenige Schritte zum nahegelegen Eingang eines Geschäftsgebäudes. Es ging ein paar Treppen hoch und dann stand Anne in dem Raum, der für die Befragungen hergerichtet war. Polsterstühle standen an einzelnen Tischen für die Testpersonen bereit. Dazwischen sorgten Pflanzen in großen Kübeln für ein gewisses Gefühl der Abgeschlossenheit. Sanftes warmes Licht verstärkte die angenehme Atmosphäre. Im Hintergrunde erklang leise sphärische Musik.
Wenn so die Arbeit aussieht, wie muss dann erst der Luxus-Wellness-Urlaub im Schloss ausfallen, dachte sie amüsiert. Moldurien? War das nicht dieses kleines Land irgendwo in Südosteuropa? Wie so viele andere war es mit der Auflösung des Ostblocks entstanden, glaubte sie sich zu erinnern. In den Nachrichten tauchte es praktisch nie auf. Wie es da wohl war? Allerdings: Die Chancen es herauszufinden, waren verschwindend gering. Sie hatte noch nie etwas gewonnen. Dann schon eher eine von den Frauen, die bereits an den Tischen saßen. Sie mochten zwischen 20 und 40 Jahre alt sein. Gemeinsamkeiten waren kaum zu entdecken. Elegant gekleidete Geschäftsfrauen saßen hier ebenso wie Verkäuferinnen oder Arzthelferinnen, schätzte Anne.
„Überleg nicht zu lange, antworte ganz spontan“, flüsterte ihr Florence zu, als sie ihr Fragebogen und Kugelschreiber in die Hand drückte. Anne nahm beides in Empfang und setzte sich. Sekunden später brachte ihr Florence ungefragt noch einen Fruchtsaft. „Frischgepresst“, flüsterte sie lächelnd und verschwand wieder. Anne sah ihr nach und bewunderte einmal mehr ihre Figur und die Art wie sie sich bewegte. Dann nippte sie vorsichtig am Saft. Er schmeckte exotisch mit einem leicht metallischen Nachgeschmack und sehr süß, aber eigentlich nicht schlecht. Sie trank in kleinen Schlucken und freute sich darüber, dass sie sich immer besser fühlte. In Sachen Sören hatte sie eindeutig das Richtige getan.
Aber nun zum Fragebogen. Ganz so harmlos, wie Florence angekündigt hatte, war er nicht. Sicher, die ersten Fragen bezogen sich auf die Welt des Wohlgeruches. Ihre bevorzugten Duftnoten sollte sie nennen, und sie musste angeben, wie viel Geld sie in etwa jährlich für Parfüm ausgab. Dann wurde Persönliches abgefragt. War man Single oder lebte man in einer festen Beziehung? Wie oft traf man sich in der Woche mit Freunden? Allmählich aber ging es um Intimeres. Anne nahm wieder einen Schluck von dem Fruchtsaft. Den metallischen Nachgeschmack nahm sie kaum noch wahr.
Diese Frage hier zum Beispiel: „Können sie Filme, in denen sexuelle Gewalt vorkommt, erregen?“
Wow, die wollen es genau wissen. Trotzdem war sie einfach zu gut gelaunt, um jetzt die Verklemmte zu spielen. Ohne zu zögern, kreuzte sie „Ja“ an. Komisch, sie kam sich fast wie beschwipst vor, aber vielleicht stieg ihr auch nur ihre neue Offenheit zu Kopf. Wie Florence geraten hatte, antwortete sie ohne lange nachzudenken.
„Ja“, sie kannte die Begriffe Sadismus und Masochismus.
„Ja“, sie hatte auch schon einschlägige Romane darüber gelesen.
„Ja“, sie hatte
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