Baeuerin sucht Frau
kann mir zuviel Rücksicht im Moment nicht leisten.
»Also gut«, beschließe ich. »Heute ist Dienstag. Donnerstagabend machen wir es.«
»Donnerstagabend«, bestätigt Erik.
Antje stützt den Kopf auf ihre Hände. »Donnerstag«, sagt sie entschlossen.
Doch schon die aufgehende Sonne des Mittwoch beschert mir Zweifel. Ich bin versucht einen Rückzieher zu machen. Die Nacht habe ich lange wachgelegen, gequält von Gedanken. Selbst wenn wir E605 Kanister fein aufgereiht in Wuttkes Lager finden, was dann? Weinhaus informieren und auf dessen Frage, wie ich an diese Information komme, einen Einbruch gestehen? Außerdem ist das Aufbewahren alter Bestände E605 nicht verboten, nur der Handel und die Verwendung.
Gegen elf Uhr kommt Else und mit ihr ein Brief der Kontrollstelle. Kein sehr netter Brief. Die Proben wurden ausgewertet. Die Kartoffelpflanzen sind E605 verseucht. Alle weiteren Proben waren negativ. Dennoch unterliegt mein Betrieb ab sofort einer vorläufigen Sperrung des Ökozertifikats. Eine Kommission wird darüber entscheiden ob und wie lange die Sperrung aufrecht erhalten wird.
Der Brief mahnt mich, dass ich mir kleinmütige Zweifel an unserem Plan nicht leisten kann. Wenn wir das E605 erst gefunden haben, sehen wir weiter. Wuttke müsste zumindest erklären, warum er diese Chemikalie noch im Bestand hat. Weinhaus könnte, und sei es nur um mir zu beweisen, dass ich Unrecht habe, eine Vergleichsanalyse mit der Substanz des Kanisters in meinem Schuppen anordnen. Alter, Zusammensetzung. Eine zufällige Übereinstimmung wäre genauso unwahrscheinlich wie zwei Menschen, die dieselbe DNA haben.
Kurzum Antjes Plan ist zwar nicht genial, aber hat immerhin eine Erfolgschance. Gar nichts tun würde die sofortige und kampflose Kapitulation gegenüber Wuttke bedeuten. Und das kommt überhaupt nicht in Frage.
Erst recht nicht, als Erik mir am Nachmittag erzählt, dass Wuttke seit Tagen im Dorf Stimmung gegen mich macht. Die Pluspunkte, die mir mein Schweigen in der Tabakdosenaffäre einbrachte, schwinden rapide dahin, denn das Vergiften von Kindern steht auf der Pleßnitzer Niemals-darfst-du-das-tun-Liste sehr, sehr weit oben. Worin ich mit den Pleßnitzern übereinstimme, nur im Moment kann ich niemanden so recht darauf ansprechen, denn die Grußgewohnheiten sind auf dem Stand der Zeit vor der Tabakdosengeschichte zurückgefallen. Nicht nur das.
Im Mittelalter gab es den Pranger, wo man Betrüger ankettete und das entrüstete Volk den Angeschlagenen mit faulem Gemüse bewarf. Heute ist diese Einrichtung zwar abgeschafft, aber die schmale Dorfstrasse entlang zu gehen, ist für mich derzeit nicht viel angenehmer. Ich werde von Blicken begleitet, die mir deutlich sagen, was die Leute von mir halten. Woran ein gewisser Artikel in der Lokalzeitung vorgestern nicht ganz unschuldig sein dürfte. Überschrift, supergroß, superfett: »Bürgermeister-Kandidat klagt Missstände in der Biowirtschaft an.« Darunter, etwas zurückgenommen, aber groß und fett genug für alle von acht bis achtundneunzig, die, ob nun mit oder ohne Sehhilfe, lesen können: »Schwarze Schafe mitten unter uns.«
Ich kochte vor Wut während ich den Artikel las. Darin stempelt Wuttke mich als Lügnerin ab, wobei er dem Leser die Entscheidung überlässt, mich und die gesamte Bio-Branche als dilettantisch oder fanatisch zu bewerten. In ihrer besonderen Form, siehe vorliegendes Beispiel, sogar kriminell. Eine Branche, die man sehr stark kontrollieren müsse, stärker als in der bisherigen Form, wie besagtes Beispiel glasklar bewies. Wofür er sich auch in Zukunft einsetzen würde und, in dieser speziellen Sache, betroffene Eltern seine Unterstützung anbot, wollten diese rechtliche Schritte einleiten, was er dringend empfahl. Den Kindern wünschte er schnelle Genesung.
Letzteres ist das Einzige, worin ich übereinstimmte. Für den ganzen Rest des Artikels hätte ich Wuttke liebend gerne den Hals umgedreht. Ich bin stolz auf mich, dass ich nicht zu diesem Ekel auf den Hof stürmte, und meinem Wunsch nachgab. Das hat Wuttke doch nur damit erreichen wollen. Dass ich ihm meinen Ärger ins Gesicht schreie. Das wäre für ihn das Sahnehäubchen auf der Rachetorte. Aber das gönne ich ihm nicht.
11
Der Morgen des Tages, an dem ich zur Einbrecherin mutieren werde, ist heran gerückt. Gut, dass wir dieses Kabinettstück nur zwei Tage im voraus geplant haben. Noch einen Tag mit dieser Anspannung wäre zu viel für mich. Ich trommele nervös auf dem
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