Baeuerin sucht Frau
Reißverschluss. Antje streift das Kleid ab, steht jetzt in enger schwarzer Leggins und schwarzem Kapuzenshirt vor mir. »Denkst du, ich fahre so durchs Dorf? Da fragt mich doch jeder, was ich vorhabe.«
»Schlau die Frau«, erwidere ich spöttisch. »Und was machst du auf dem Weg von hier zu Wuttkes Hof? Dich unsichtbar?« Es sind zwar nur wenige Minuten Weg, trotzdem.
Antje stutzt.
»Komm«, fordere ich sie auf. »Ich gebe dir ´ne Jeans und Pullover von mir.«
Es dauert nur zehn Minuten, dann sind wir passend gekleidet für unsere Unternehmung. In dunkler, aber ganz normaler Alltagskleidung. Ich habe für Antje sogar eine Hose aus meinen schlankeren Tagen gefunden. Sie brauchte nur einen Gürtel, schon saß das Teil an ihren Hüften wie dafür gemacht. Lediglich die Hosenbeine hätten etwas länger sein können. Beim Pullover fällt die eine Nummer größer nicht auf.
Ich schaue auf die Uhr. »Na, los dann. Nicht, das Otto nervös wird.« Es ist abgemacht, dass er in der Nähe von Wuttkes Hof auf uns wartet.
Wir gehen los. Nur eine Bulldogge auf Gassitour und ein frühzeitig Betrunkener auf dem Heimweg kreuzen unseren Weg. Vor Wuttkes Hof bleiben wir stehen, sehen uns um. Otto tritt aus dem Schatten eines Baumes hervor. »Da seid ihr ja endlich«, flüstert er.
Schnell, aber so leise wie möglich, laufen wir über die Strasse in die Einfahrt zum Wuttke-Imperium, vorbei am Wohnhaus, mit angebautem Büro. Die Lagerhalle ist das am weitesten vorn gelegene Gebäude, dahinter kommen die Stallanlagen.
Wie von Erik prophezeit, öffnet Otto das Schloss der Lagerhalle ohne große Probleme. Antje und ich huschen durch die Tür. Otto bleibt draußen, steht Schmiere. Sollte Roswitha Wuttke aus irgendeinem Grund aus dem Haus kommen, kann er uns alarmieren. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass die alte Frau, die den Fernseher so laut gestellt hat, dass wir ihn sogar draußen noch hören konnten, uns bei unseren »Nachforschungen« stören wird.
Antje und ich knipsen unsere Taschenlampen an. Zwei Lichtkegel huschen durch die Halle. »Du rechts, ich links«, teile ich nach kurzer Orientierung die Suchgebiete auf. Wir entfernen uns voneinander.
Eines muss man Wuttke lassen: In seiner Lagerhalle herrscht Ordnung. Etwa fünf Meter hohe und zwei Meter tiefe Regale reihen sich in dem renovierten alten Steinbau aneinander. Eine Schiebeleiter ermöglicht den Einblick in alle Etagen und im Gegensatz zu so manchem Lebensmitteldiscounter sind die Inhalte nach einer gewissen Logik sortiert. Ich leuchte und klettere, klettere und leuchte. Offensichtlich befinde ich mich gerade in der Baustoffresteabteilung. Zementsäcke, Bauholz, Gipsplatten, Farben. Ah, Farben, es wird interessanter. Es schließen sich aber nicht wie erhofft weitere Chemikalien an, sondern die Futtermittelabteilung. Das verraten mir die Aufschriften der Säcke.
Ich stehe wieder auf dem Boden, gehe um das Regal herum, auf die andere Seite. Hier befinden sich Stellplätze statt Regale. Mir fallen sofort die riesigen Säcke Kalidünger ins Auge, die aussehen wie überdimensionale, runde Einkaufsbeutel. Dahinter eine letzte Regalreihe. Nur noch etwa dreieinhalben Meter hoch, bedingt durch die Dachschräge der Halle. Dorthin gehe ich.
Das erweist sich als goldrichtig, denn in diesem Regal hier lagern Chemikalien aller Art. Pulver und Granulate in Säcken, Flüssigkeiten in Kanistern verschiedener Größen. Fieberhaft beginne ich zu suchen, arbeite mich bis in die hinterste Ecke. Nichts. Ich finde kein E605. Nicht einen Milliliter. Verdammt.
Also gut, weiter geht es. Habe ich irgendwas übersehen? Während ich zurücklaufe irrt der Lichtkegel meiner Taschenlampe unentschlossen umher, fällt auf einen Müllcontainer neben der Eingangstür.
Hm, was soll´s? Es steht einiges auf dem Spiel, also mache ich vor einem Müllcontainer nicht halt! Ich hebe den Deckel hoch, lehne ihn an die Wand dahinter, leuchte in den Container hinein.
In der Hauptsache diverser Verpackungsmüll. Pappkartons, Füllmaterial, Luftpolsterfolie. Hier und da ein Alupapierbällchen und eine angebissene Frühstücksstulle. Kein E605-Kanister. Auch nicht als ich mir einen neben dem Container stehenden Besen greife und mit dem Stiel darin herumwühle. Enttäuscht gebe ich nach einer Minute auf.
Tja, das war es dann. Jedenfalls auf meiner Seite. Ich gehe Antje suchen. Da sie drei statt zwei Regalreihen auf ihrer Seite zu untersuchen hat, ist sie noch in vollem Gang. Sie steckt mit dem Kopf in
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