Baeuerin sucht Frau
lass uns reden. Ich ... muss dir auch was beichten.« Diese Lagerhallen-Kussgeschichte muss auf den Tisch. In den Laden werden heute aller Wahrscheinlichkeit nach sowieso kaum Kunden kommen. Ich mache einfach ein »Wegen Krankheit geschlossen«-Schild an die Tür.
Ich starre Carmen an. »Nach Hongkong? Vier Wochen?«, echoe ich. Das ist wahrlich eine Überraschung! Carmen hat nicht zu viel versprochen als sie mich, unter mystischen Andeutungen, in dieses Restaurant lotste.
»Ist das nicht super?« Ihre Augen glänzen vor Aufregung.
»Ja«, erwidere ich, meinen Kopf nun gesenkt, mit starrem Blick auf die Lasagne vor mir. Ich versuche das dumpfe Gefühl in mir zu ignorieren. Es geht um Carmens Job. Ihre Karriere. Schon wieder. Von Entschuldigung keine Spur.
»Dieser Modekatalog ist die Chance für mich.«
»Verstehe.«
»Du könntest doch mitkommen«, schlägt sie jetzt vor. Und scheint es wirklich ernst zu meinen.
»Wie bitte?«
»Na, warum nicht? Ich meine, du hast dein Zertifikat verloren, stehst vor der Pleite. Also, wozu noch mit dem Hof weitermachen?«
Wie Carmen das so sagt geht mir auf, dass sie keine Ahnung hat, wie es in mir aussieht. Davon mal ganz abgesehen, sie sagte es ja eben selbst, bin ich pleite. »Ich kann mir eine solche Reise nicht leisten!«
»Ich übernehme einen Teil der Kosten«, bietet Carmen euphorisch an. »Der Job wird gut bezahlt.«
»Außerdem müssen die Tiere versorgt werden«, wende ich ein. Außerdem, mal ehrlich, was soll ich in Hongkong? Im Hotelzimmer sitzen und warten, während Carmen von einem Termin zum anderen hetzt? Vom Fenster des Hotelwolkenkratzers hinunter auf fremde, menschenüberfüllte Straßen starren?
»Kann das nicht Erik machen?«, fragt Carmen in meine Vision hinein.
Ich zucke leicht zusammen. »Auch Erik muss bezahlt werden.«
»Ach, der macht das doch bestimmt auch so. Dir zuliebe.«
»Und Nina ... Antje ...«, stottere ich.
»Antje? Wieso Antje? Was ist mit ihr?«
»Ich ...«, mein Zögern wärt nur kurz. »... habe sie geküsst.«
Carmens Lachen endet jäh. Sie blinzelt irritiert. »Was?!« Sie schüttelt den Kopf, hält inne, lächelt erneut. »Na und? Ein Kuss unter Freundinnen. Was ist dabei?«
Da ist nichts dabei, nur war es nicht wie unter Freundinnen. Carmen interpretiert mein Schweigen richtig. »Oh«, ruft sie leise. Danach folgt eine Weile nichts. Schließlich: »Und ich frage mich schon die ganze Zeit, warum du dich so gegen Hongkong sträubst.«
»Das hat damit nichts zu tun. Ich bin für eine solche Riesenstadt einfach nicht gemacht. Ich bitte dich. Von Pleßnitz nach Hongkong. Kannst du dir das vorstellen? Ich bekäme Zustände.«
»Es wären doch nur vier Wochen.«
»Ich möchte nicht.«
Carmen mustert mich nachdenklich. Dabei wickelt sie pedantisch die perfekte Anzahl Spaghetti auf ihre Gabel. Eine Spaghettivariante die ich bisher nicht kannte. Ohne alles, nur mit fettarmer Kräuter-Joghurtsauce. »Wir beide sind sehr verschieden. Und wir haben scheinbar ganz andere Vorstellungen vom Leben«, sagt sie leise. Melancholisch fügt sie hinzu. »Und da heißt es nun, die Liebe versetzt Berge.«
»Vielleicht ist die Liebe gerade angeknackst. Wegen einer gewissen Zeitungsgeschichte«, gebe ich zu bedenken.
Carmen nickt langsam. »Das ist es.«
»Auch.«
»Was noch?«
»Ich liebe fette, knusprige Broilerhaut.«
Carmen lacht auf, seufzt. »Das hättest du doch sagen können.«
»Ich wollte dir gefallen.«
Carmen lächelt sanft. »Das tust du«, beteuert sie. Erneutes Seufzen. »Trotzdem wird das wohl nichts mit uns. Oder?«
Mit flauem Gefühl im Magen schüttele ich den Kopf. »Nein.« Die Erkenntnis überrascht mich trotz allem. Mir war gar nicht bewusst, dass eine solche Entscheidung in der Luft lag. Und Carmen? Hat sie es gespürt? Hat sie mich deshalb gefragt ob ich nach Hongkong mitkomme? Um meine Reaktion zu testen?
Wir essen schweigend, nippen am Wein.
»Verrätst du mir noch was?«, fragt Carmen.
»Was denn?«
»Antje. Was hat sie gemacht?«
»Gemacht?«
»Ich meine natürlich als du sie geküsst hast, du Dummerchen.«
Carmen scheint die Sache gut wegzustecken. Eine deprimierte Ex hört sich jedenfalls anders an. Aber wozu will sie das wissen? »Sag schon«, drängt Carmen.
»Na ja, das ... also ... sie hat mich zurückgeküsst.«
»Schau an. So richtig? Mit allem drum und dran?«
»Carmen!«
»Los, rück raus damit.«
»Ja«, gebe ich widerwillig zu.
»Ich wusste es.« Carmen sieht mich sonderbar
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