Bahama-Krise
meinen Sie das?«
»Kann man sich darauf verlassen, daß die sechs
Cunningham-Gorillas sich auf die Beobachtung beschränken und das Gesetz
nicht selbst in die Hand nehmen?« Er räusperte sich. »Wenn es bei der
Beobachtung der Verdächtigen bleibt, habe ich nichts dagegen, wenn die
sechs an der Verfolgung teilnehmen. Ich habe wenig Leute, und wir
könnten uns ergänzen. Wenn die aber mit Lynchjustiz nach texanischer
Gutsherrenart beginnen, dann sind sie hinter Schloß und Riegel, ehe sie
den Schlagring aus der Tasche kriegen. Haben wir uns da genau
verstanden?«
»Diese sechs Männer werden tun, was ich sage.«
»Also gut. Ich habe bereits mit Walker gesprochen. Er
beschattet Carrasco und hält mit einem Beamten in Zivil Verbindung, den
ich im Hotel ›Royal Palm‹ stationiert habe.« Er gab seinem
Polizeistock, der auf dem Tisch lag, einen Stoß mit dem Finger. Der
Stock geriet ins Rollen und blieb einen Zentimeter vor dem Tischrand
liegen. Er lächelte. »Und jetzt sagen Sie mir einmal, warum dieser
Rodriguez aus Texas einfliegt. Was ist das für ein Vogel?«
Ich klärte ihn über Rodriguez und seine elektronischen
Kunststückchen auf.
»Nicht übel«, befand Perigord. »Etwas Technik könnte uns
helfen.«
»Etwas verstehe ich nicht«, brachte sich Inspektor Hepburn zu
Gehör. »Wenn es Carrasco war, der Sie im Cunningham-Gebäude in Houston
überwältigt hat, wieso nimmt er das Risiko auf sich und begibt sich auf
die Bahamas, in die Höhle des Löwen? Und noch dazu in Ihre Hotels? Er
muß doch damit rechnen, daß Sie ihn wiedererkennen.« Er schüttelte den
Kopf. »Ich halte das Ganze für eine Verwechslung.« Er drehte sich zu
Perigord, der seinen Stock an die Schmalseite des Tisches befördert
hatte. »Mr. Mangan hat selbst zugegeben, daß er den falschen Arzt nur
wenige Sekunden gesehen hat.«
»Was sagen Sie dazu, Mr. Mangan?« schaltete sich Perigord ein.
»Ich habe mir bereits die gleiche Frage gestellt«, sagte ich.
»Aber ich bleibe dabei, ich bin zu fünfundneunzig Prozent sicher, daß
mein Entführer und Carrasco identisch sind.«
»Die Chancen stehen also neunzehn zu eins«, sagte Perigord
bedächtig. »Nun, ich denke, damit läßt sich leben. Wir werden Dr.
Carrasco auf den Fersen bleiben.«
Während ich von der Polizei zum Hotel fuhr,
dachte ich über die Einwendungen nach, die Inspektor Hepburn
vorgebracht hatte. Der Gesuchte, so war die These, würde sich nicht in
die Höhle des Löwen begeben. Zu groß war die Gefahr, daß ich ihn
erkannte. Die Erkenntnis, so ging mir durch den Kopf, hatte eine
interessante Kehrseite. Wie, wenn Carrasco auf die Bahamas gekommen
war, damit ich ihn erkannte?
Andererseits wußte er, daß ich im Fahrstuhl bereits benommen
gewesen war. Die Begegnung hatte nur wenige Sekunden gedauert.
Inzwischen hatte er sich mit einem Schnurrbart und einem Backenbart
getarnt. Vielleicht rechnete er darauf, daß diese Verkleidung genügte,
um mich irrezuführen.
Ich wog die beiden Alternativen gegeneinander ab. So oft, bis
mir mein Kopf wie ein einziges Jo-Jo-Spiel vorkam. Der Mann, der den
Faden spannte, hieß Robinson. Und die Rolle, die am Faden auf und
nieder hüpfte – das war ich, Tom Mangan.
Jedes gute Hotel hat einen Dienstboteneingang, besondere
Verbindungsgänge für Dienstboten und Servicetreppen. Bei meiner
Rückkehr ins ›Royal Palm Hotel‹ benutzte ich dieses Verbindungssystem.
Es galt zu vermeiden, daß Carrasco mich sah.
In meinem Büro wurde ich von Walker erwartet. Er berichtete
mir über seine Beobachtungen.
»Carrasco ist auf seinem Zimmer, wahrscheinlich packt er
seinen Koffer aus. Rodriguez wird in etwa zwei Stunden in Freeport
sein. Ich werde rausfahren zum Flugplatz, um ihn abzuholen. Perigord
hat einen Beamten in Zivil im Hotel stationiert, der bewacht den Gang
vor Carrascos Zimmer. Perigord sagte mir, er hat einen Polizisten als
Leibwache zu Ihrer Frau beordert.« Er kratzte sich am Kinn. »Die beiden
Kollegen sind bewaffnet.«
»Und Sie nicht, ich weiß. Das ist auch gut so. Sie sollen
Carrasco keinen Finger krümmen. Beobachten Sie ihn, und halten Sie mit
dem Polizeibeamten Verbindung. Perigord will jederzeit wissen, wo
Carrasco ist.«
Ich dachte an den Mann, der jetzt bei Debbie Wache schob. Es
war nett von Perigord, daß er daran gedacht hatte.
»Können wir Carrascos Telefon anzapfen?« fragte Walker.
»Es ist verboten, aber wir werden's trotzdem tun«, entschied
ich. »Ich werde mit dem Mädchen in der Telefonzentrale sprechen.
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