Bahama-Krise
Ich
vermute, Carrasco wird spanisch sprechen, wenn er telefoniert. Hätten
wir jemanden, der Spanisch versteht?«
»Einen unserer Leute«, sagte Walker. »Und Rodriguez natürlich.«
»Das müßte reichen. Wenn es irgendwelche Probleme gibt, möchte
ich sofort informiert werden.«
Die nächsten drei Tage geschah nichts. Carrasco empfing keine
Besucher. Das Telefon benutzte er nur, um sich Getränke aufs Zimmer zu
bestellen oder um einen Tisch im Restaurant zu reservieren. Rodriguez
brachte eine Wanze in Carrascos Wagen an und verband den
Telefonanschluß von dessen Zimmer mit einem Tonbandgerät, das alle
Gespräche aufzeichnete. Das Ergebnis war gleich Null. Auch eine
Durchsuchung von Carrascos Gepäck erbrachte keine besonderen Funde. Er
führte die Dinge mit, die ein Urlauber braucht, nicht mehr und nicht
weniger.
Debbie fragte mich, was der schwarze Muskelmann sollte, der
plötzlich in der Küche neben Luke Bailey auftauchte und nach dem ersten
Zwiebelschneiden zum Erste-Hilfe-Kasten hechtete. Ich sagte ihr, was es
mit diesem Mann auf sich hatte. Wie es sich ergab, entbrannte Debbies
Freundin Addy Williams in wilder Liebe zu dem neuen ›Hausdiener‹.
Debbie war besänftigt. Erst danach sagte ich ihr, daß der Schwarze in
den Diensten von Perigord stand. Inzwischen war es ihr gleich, wer sie
bewachte, wenn er nur lieb zu ihrer Freundin war.
»Wie lange wird der Belagerungszustand dauern?« fragte sie,
als wir abends zusammensaßen.
Ich hatte keine Antwort auf diese Frage. »Es wird bald vorüber
sein«, versprach ich. Dann erzählte ich ihr die Sache mit Carrasco.
»Wenn es uns gelingt, mit Carrascos Hilfe Robinson zu nageln, dann ist
es ausgestanden.«
»Und wenn's schiefgeht?«
Auch auf diese Frage hatte ich keine Antwort. Ich schwieg.
Ich hatte nicht gedacht, daß ich so bald
wieder nach New Providence fliegen müßte. Jack Fletcher war ein
erfahrener Manager. Ich konnte ihm beruhigt die Führung der Geschäfte
anvertrauen. Um so überraschter war ich, als er mich vier Tage nach der
Episode mit Carrasco mit allen Anzeichen der Panik anrief.
»Hier ist die Hölle los, Tom«, sagte er ohne Umschweife. »Ein
Gast nach dem anderen wird krank, die Leute fallen um wie Fliegen. Dr.
Bosworth weiß nicht mehr, was er machen soll.«
»Was haben die Gäste denn? Weiß Dr. Bosworth, um welche
Krankheit es sich handelt?«
»Nein. Er hat Anweisung gegeben, die Klimaanlage
auszuschalten.«
»Wenn es die Legionärskrankheit ist, wird das wenig nützen«,
sagte ich. »Gib ihn mir rasch an den Apparat.«
»Das geht nicht. Er ist in einer Sitzung, die Beamten vom
Gesundheitsministerium sind hier.«
»Ich komme sofort«, sagte ich. »Schick einen Wagen für mich
raus zum Flugplatz.«
Während des Fluges nach New Providence war ich so nervös, daß
ich die Sicherheitsanweisungen in der Stecktasche vor mir zu einem
bizarren Plastikgebirge zusammenknautschte. Mit Sachverstand und hohen
Aufwendungen hatte ich alle Vorkehrungen treffen lassen, damit meine
Hotels nicht von der Legionärskrankheit befallen werden konnten. Alles
umsonst …
Fletcher war selbst zum Flugplatz hinausgekommen, um mich
abzuholen. Während wir zum ›Sea Gardens‹ fuhren, fragte ich ihn:
»Wieviel Leute sind erkrankt?«
Seine Antwort versetzte mir einen Schock: »Einhundertvier.« Er
hustete. »Und ich selbst fühle mich auch hundsmiserabel.«
»Welche Symptome?«
»Hohes Fieber und starke Kopfschmerzen.«
»Sobald wir im Hotel sind, gehst du zu Bett. Dr. Bosworth wird
sich um dich kümmern. Philips übernimmt solange die Leitung des Hotels.
Wie viele von den Kranken sind Personal?«
»Drei. Mit mir vier.« Er hustete und griff sich an die Brust.
»Halt an«, sagte ich. »Ich fahre.«
Ich übernahm das Steuer und beschleunigte. Zugleich dachte ich
darüber nach, warum im Vergleich zu den Gästen sowenig Personal
erkrankt war.
»Wieviel Gäste befinden sich im Hotel?« fragte ich.
»Ich muß nachsehen, sobald wir in meinem Büro sind«,
antwortete er. »Ich schätze, über dreihundert.«
»Du gehst gleich ins Bett, wie ich gesagt habe«, entschied
ich. »Ich lasse mir die Zahl von Philips geben.«
Was er gesagt hatte, bedeutete, daß etwa ein Drittel der Gäste
krank war.
»Keine Toten?« fragte ich.
»Noch nicht«, war die unheilschwangere Antwort.
Als wir im Hotel ankamen, sorgte ich dafür,
daß Fletcher ins Bett kam. Dann machte ich mich auf die Suche nach
Philips. Ich fand ihn an der Kasse, wo er aushalf. Eine lange
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