Bahama-Krise
Cays.
Es gibt Hunderte davon, die meisten haben nicht einmal Namen. Und diese
Inselgruppe ist nur eine von vielen.« Seine Hand glitt langsam an der
Landkarte herunter und verharrte, als sie den Rand erreichte. »Selbst
wenn man die gesamte Bevölkerung der Bahamas zu Polizisten
umfunktionierte, hätten wir nicht genügend Leute, um die
Schiffsbewegungen auf den kleineren Inseln zu überwachen.«
»Das betrifft Schmuggelboote«, sagte Debbie. »Aber was hat das
mit Piraterie zu tun?«
»Sehr viel«, sagte Perigord. Seine Stimme klang müde.
»Man nennt es nicht mehr Piraterie, aber es ist das gleiche.
Die Boote werden überfallen, die Insassen getötet. Dann wird das Boot
so schnell wie nur irgend möglich zu irgendeinem Unterschlupf gebracht
und umgespritzt. Das verhindert vorläufig die Identifizierung. Dann
fährt man mit dem Boot zum Versteck, wo das Kokain aus Südamerika
liegt, lädt das Zeug ein und bringt es in die Vereinigten Staaten.
Sobald die Droge an Land ist, wird das Boot versenkt. Manchmal wird es
noch für eine zweite Schmuggeltour benutzt, aber sehr selten. Es ist
ein blühendes Geschäft, jeder Gangster weiß, wie's funktioniert. Und
was glauben Sie, wie viele wir schon gefaßt haben?« Er hielt uns den
abgespreizten kleinen Finger entgegen.
»Ist es wirklich so, daß die Schmuggler die Crew töten, wenn
sie ein Boot aufbringen?« fragte ich.
»Sie haben keine Ahnung, wie hoch die Gewinnspanne beim
Kokainschmuggel ist, Mr. Mangan! Außerdem benutzen die Schmuggler ja
nicht nur aufgebrachte Boote, viel lieber stehlen sie Boote aus den
Jachthäfen. Das ist ziemlich leicht. In den meisten Häfen kümmern sie
sich einen Dreck darum, wer raus- und reinfährt. Die Boote liegen da,
die Gangster brauchen sich nur zu bedienen.«
»Die ›Lucayan Girl‹ wurde aber nicht aus dem Jachthafen
gestohlen«, warf ich ein.
»Nein und ja«, sagte Perigord besonnen. »Sie haben das Boot
mit einem frisch angeheuerten Mann losfahren lassen, dessen Namen und
Vergangenheit Sie nicht kannten und den Sie noch nie in Ihrem Leben
gesehen haben. Man kann die Gefahr auch herausfordern, Mr. Mangan.«
Er hatte es in freundlichem Ton gesagt, eigentlich nur als
Antwort auf meine Frage. Trotzdem war der Vorwurf, der in seiner
Feststellung lag, unübersehbar. Er beschuldigte mich, daß ich mich wie
ein verdammter Narr benommen hatte, und er hatte sogar recht.
»Wer denkt an so etwas, wenn er seine Familie mit dem Boot
nach Miami rüberschickt?« sagte ich schwach.
Perigord seufzte. »Die Polizei hängt immer wieder Plakate in
den Jachthäufen aus. ›Achten Sie auf Ihr Boot. Sehen Sie sich die Crew
genau an, die Sie an Bord nehmen. Sichern Sie Ihr Boot, wenn Sie an
Land gehen.‹ Niemand achtet auf diese Plakate.« Er lehnte sich an
seinen Schreibtisch. »Ich will nicht behaupten, daß die Mehrzahl der
verschwundenen Boote von Piraten aufgebracht worden ist. Aber bei der
›Lucayan Girl‹ sieht es danach aus. Natürlich kann das Boot auch nach
einem Feuer oder nach einer Explosion gesunken sein. Oder es ist auf
ein Riff gelaufen. Unser Problem ist, daß wir das ganz einfach nicht
wissen. Wir wissen nicht, wieviel Boote von Gangstern aufgebracht
werden und wieviel Boote aus anderen Gründen verschwinden. Die Zahlen
liegen im Dunkel. Das einzige, was wir wissen, ist, daß zuviel Boote
verschwinden.«
Debbie beugte sich vor. »Glauben Sie, daß der fremde Bootsmann
noch am Leben ist?«
Perigord spreizte die Hände, bis sie eine kleine Kathedrale
bildeten. »Wenn das Boot in Brand geraten und gesunken ist, Miß
Cunningham, dann ist er wahrscheinlich tot. Aber wenn es sich um einen
Akt der Piraterie handelt, dann lebt er noch. Nach dem Fund der Leiche
auf Cat Island deutet alles auf die zweite Möglichkeit hin. Und deshalb
möchte ich Sie nochmals bitten, strengstes Stillschweigen zu bewahren.
Vielleicht hält sich der Mann auf Grand Bahama auf. Er soll dann unter
keinen Umständen Kenntnis davon bekommen, daß wir nach ihm suchen.« Er
verzog die Lippen zu einer skeptischen Grimasse. »Allerdings haben wir
weder einen Namen noch eine Beschreibung des Gesuchten. Es wird
schwierig sein.«
»Stöbern Sie den Kerl auf«, sagte ich. »Wenn ich eine
Belohnung aussetzen soll, sagen Sie es mir. Ich bin bereit, jede Summe
aufzubringen.«
Perigord schüttelte den Kopf. »Ich sagte Ihnen, daß wir
Stillschweigen über die Angelegenheit bewahren wollen, damit der Mann,
falls er hier ist, nicht spurlos verschwindet. Wenn wir eine
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