Bahama-Krise
bisher nicht viel aus meinem
Leben gemacht.« Sie lächelte verlegen. »In meiner Familie hält man
nicht viel von Frauen, die die Hosen anhaben. Jedenfalls bin ich nicht
als Geschäftsfrau erzogen worden. Bei den Cunninghams müssen die Frauen
gut aussehen, gut im Bett sein und Nachkommen produzieren, am besten
Jungen. Sie wissen ja, wie man im Süden der Staaten über diese Dinge
denkt.«
»Ist das so schlimm?« schmunzelte ich. »Gut aussehen und gut
im Bett sein, hatten Sie in diesen beiden Punkten denn je
Schwierigkeiten?«
»Sie werden es nicht glauben, aber ich war Jungfrau, als ich
den Mann kennenlernte, der mich dann betrog.« Sie schüttelte das lange
Haar, als wollte sie die Erinnerung loswerden. »Jedenfalls wird sich
einiges ändern, wenn ich jetzt nach Houston zurückkomme. Mein Vater
wird ganz schön geschockt sein, wenn er hört, daß ich mich um Kinder
aus den Slums kümmern will. Aber ich denke, ich werde das Projekt schon
durchkriegen.«
»Versuchen Sie's, mit aller Kraft, die Sie haben«, sagte ich.
»Es wird Zeit, daß die Cunninghams mal etwas anderes machen als nur
Profite. Warum nicht zur Abwechslung mal Menschen glücklich machen?«
Wir sprachen noch eine Weile über ihren Plan, der eigentlich
mein Plan gewesen war. Dann entschuldigte sie sich und ging zur
Toilette. Als sie wieder aus der Tür kam, begann sie zu laufen, bis sie
wieder an unserem Tisch stand. Ich hörte, wie ihre Absätze auf dem
Steinboden widerhallten.
»Ich möchte Ihnen etwas geben, bevor ich abfliege, Tom. Ich
weiß nicht, ob es richtig ist, was ich tue, aber …«
Sie hielt inne und biß sich auf die Lippen. Dann legte sie
einen Briefumschlag in meine Hand.
»Was ist das?«
»Sie erinnern sich vielleicht, daß Sue ihren Fotoapparat
vergessen hat. Ich habe den Film herausgenommen und entwickeln lassen.
Vorhin, als wir vor dem Internationalen Basar hielten, habe ich die
Abzüge abgeholt. Ich habe sie mir gerade in der Toilette angesehen.«
»Ich verstehe«, sagte ich nachdenklich. Plötzlich widerstrebte
es mir, diese Fotos anzusehen. Die Erinnerungen an Julie und Sue würden
wieder da sein, der Tag des Abschieds.
Debbie schien zu spüren, daß ich die Fotos am liebsten
weggeworfen hätte. »Es ist wichtig, daß Sie sich die Abzüge ansehen«,
drängte sie mich. »Sie werden gleich verstehen, warum.«
Ich nahm die Abzüge aus dem Umschlag und sah sie durch. Fast
auf allen Fotos war die ›Lucayan Girl‹ abgebildet. Auf einem Bild stand
Pete in Heldenpose. Es gab auch drei Fotos, auf denen Sue zu sehen war.
Wahrscheinlich hatte Julie diese Bilder aufgenommen. Seltsamerweise
gingen mir diese drei Fotos besonders zu Herzen. Und dann waren da die
Bilder, wo Julie zu sehen war. Einige davon waren am Swimming-pool
gemacht, die anderen vor dem Boot, beim Einladen des Gepäcks. Auf einem
Bild war Debbie zu sehen. Vier Fotos waren mißlungen, sie zeigten nur
verwischte Schatten. Sue hatte noch nicht so genau gewußt, wie man den
Apparat einstellte. Wäre sie doch nur an Land geblieben, wie der
Apparat, den sie vergaß.
Ich mußte schlucken. Debbie betrachtete mich aufmerksam.
»Sehen Sie die Fotos noch einmal durch«, sagte sie.
Ich befolgte die Aufforderung und begann erneut zu blättern.
»Halt!« sagte sie plötzlich. Es war das Bild, wo Pete für Sue
mit geschwellten Muskeln posiert hatte. Er stand am Bug. Aber achtern
war ein anderer Mann zu erkennen. Er kam gerade aus der Kabine
hochgeklettert. Das Gesicht lag im Schatten, ein Allerweltsgesicht.
»Der zweite Mann!« sagte ich leise.
»Ja. Jetzt haben Sie etwas, was Sie Perigord geben können.«
»Ich werde mir erst ein paar große Abzüge machen lassen«,
sagte ich. »Auf diesem hier ist der Mann kaum zu erkennen. Außerdem
habe ich das Gefühl, daß ich das Foto von Perigord nie wiederkriegen
würde.«
Debbies Flug wurde aufgerufen. Wie meist auf dem Flugplatz war
die Stimme der Ansagerin kaum zu verstehen. Ich begleitete Debbie bis
an die Sperre. »Ich schreibe Ihnen, was aus meinem Plan geworden ist«,
sagte sie. »Alles Gute, Tom!« Sie gab mir einen züchtigen Kuß auf die
Wange.
Dann war sie fort. Ich fuhr nach Freeport hinein, um die
Negative zu einem Fotografen zu bringen.
Zwei Tage später hatte ich, was ich wollte. Ich saß in meinem
Büro, die Farbnegative und die Farbabzüge vor mir ausgebreitet auf dem
Schreibtisch. Von dem Foto, wo der geheimnisvolle Mann abgebildet war,
hatte ich sechs Ausschnittvergrößerungen machen lassen, auf denen
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