Bahama-Krise
wich auch nicht, als ich mich zehn Minuten unter die
Dusche im Gästebad stellte.
Ich wußte, was ich in klimatischer Hinsicht von Houston, der
Stadt des Booms, zu erwarten hatte. Auch wenn die Gangster mich hier in
ihrer vertraulichen Art willkommen hießen, so blieb Houston doch
unangenehm, eine einzige große Sauna. Entsprechend mußte man sich
anziehen.
Das Frühstück wurde im Innenhof von Billys Haus serviert. Ein
geschmackvolles ebenerdiges Gebäude aus Stein, Edelholz und Glas. Es
war nicht zu erfahren, ob Billy seiner Frau Barbara etwas von der
Entführung erzählt hatte. Vergeblich wartete ich darauf, daß einer der
beiden das Gespräch auf Debbie brachte. Ich selbst vermied es, davon zu
sprechen. Gegen Ende des Frühstücks gewann ich den Eindruck, daß Billy
die Sache auch vor seiner eigenen Frau geheimgehalten hatte. Es war
typisch für die Texaner im allgemeinen und für die Cunninghams im
besonderen, daß sie ihre Frauen, wenn es irgend ging, aus dem Geschehen
heraushielten.
Während des Frühstücks hatten wir uns über das Wetter
unterhalten, über Baseball und andere Dinge, die das amerikanische
Gemüt zu bewegen pflegen. Manchmal schien es mir, als ob Barbara mich
verstohlen von der Seite musterte. Ich glaubte zu wissen, was sie
dachte. Warum hatte ich bei Billy übernachtet, und nicht bei Jack, wo
Debbie, meine Frau, zu Gast war? Mit Sicherheit hatten die Frauen des
Cunningham-Clans alle verfügbaren Einzelheiten über das eheliche
Zerwürfnis der Mangans ausgetauscht. Barbara wußte also Bescheid, wie
es um Debbie und mich stand. Aber sie war zu diszipliniert, als daß sie
die Frage über die Lippen gebracht hätte, die ihr auf dem Herzen lag.
Nachdem wir zu Ende gefrühstückt hatten, begleitete ich Billy
in seine Bibliothek. Ich sah ihm zu, wie er zum Schreibtisch ging, den
Hörer eines roten Telefons abnahm und auf den Knopf drückte. »Morgen,
Jo-Ann, gibt's irgendwas Wichtiges heute?« Offensichtlich hatte er eine
Direktverbindung zum Verwaltungsgebäude der Cunningham Corporation. Die
Frau, mit der er sprach, mußte seine Sekretärin sein. Er hörte ihr eine
Weile zu, dann unterbrach er sie mitten im Satz. »Sagen Sie das alles
ab!«
Auf zehn Schritte Entfernung konnte ich die Proteste
verstehen, die aus dem Telefon sprudelten.
»Nein, das kann ich nicht«, fuhr er
dazwischen. »Eine Woche lang keine Termine! Jetzt fangen Sie nicht an,
den Aufstand zu proben, Jo-Ann. Hören Sie gut zu! Ich möchte, daß Sie
mich mit Harry Pearson von der Texas Aviation verabreden. Und mit
Charlie Alvarez von der Gulf Fishing Corporation. Beides für heute
morgen, ja. Nicht im Cunningham-Gebäude. Wo sonst? Was meinen Sie?« Er
hörte ihr zu. »Einverstanden, im Petroleum Club. Ich bin in einer
halben Stunde im Büro, dann sagen Sie mir, um welche Zeit ich die
beiden treffe.«
Er legte auf und grinste. »Meine Sekretärin ist ein
Dickschädel«, sagte er. »Dafür ist sie verläßlich.« Sein Gesicht wurde
ernst. »Wir brauchen Hubschrauber und Schnellboote«, sagte er, »und die
kriegen wir nicht, wenn wir denen nicht klipp und klar sagen, wofür wir
sie brauchen. So ein Pilot oder ein Skipper tut nichts, wenn er nicht
das Okay von seinem Boß hat. Deshalb will ich mit Harry und Charlie
sprechen. Ich verbürge mich dafür, daß die beiden dichthalten.«
»Das ist mir alles egal«, sagte ich. »Ich will nur, daß ihr
nichts unternehmt, bevor Debbie in Sicherheit ist.«
»Also gut«, sagte er und wich einer klaren Antwort auf meine
Bitte aus. »Hast du die Kleider zusammengepackt, die du beim Austausch
tragen willst?«
»Ja.« – »Dann laß uns nach Houston reinfahren.«
Houston. Das ist weniger eine Stadt als eine
Geisteshaltung. Houston ist ein steingewordenes Gebet an jenen
amerikanischen Gott, der da heißt: Wir können alles verändern. Eine Ode
auf die amerikanische Technologie. Das Meer ist zu weit? Dann holt man
es eben an die Stadt heran, über eine Entfernung von fünfzig Meilen
hinweg. Ein Hafen gefällig? Bitteschön, wir bauen den drittgrößten
Hafen der ganzen Vereinigten Staaten, mit Schiffsbewegungen, von denen
andere Stadtväter nur träumen können. Benzin verkauft sich gut? Dann
bauen wir mal eben sieben Raffinerien und produzieren 68 Milliarden
Liter pro Jahr. Irgend jemand möchte gern zum Mond? Ist gemacht. Bitte
zehn Jahre Zeit und vierzig Milliarden Dollar als Anzahlung. Und
Houston als Rampe für den Milliardenschuß. Die Zuschauer schwitzen so,
wenn sie im
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