Bahnen ziehen (German Edition)
normale Menschen, die nicht viel älter sind als wir. Sie hören Nirvana und gehen spät ins Bett und trinken Kool-Aid mit Wodka und essen Doritos.
A mosquito / My libido .
Ich liege auf der Seite und warte darauf, dass mich der schwache Hauch des Ventilators erreicht. Das Hotel hat jedes Zimmer mit einem Stehventilator aufgerüstet, doch ich liege am weitesten davon entfernt, hinter Shelley, die nach Mückenspray und Shampoo riecht. Der Ventilator schiebt außerdem die schwächeren Noten von Chlor, Sonnencreme und feuchtem Beton durchs Zimmer.
Das Trainingslager findet zwischen Weihnachten und Neujahr statt. Wir stehen um 5.45 Uhr auf und versammeln uns um 5.50 Uhr auf der Wiese. Es ist noch dunkel, und die karibischen Insekten sind laut. Während wir warten, strecken wir uns auf dem kühlen Gras aus und nehmen unsere Matchbeutel als Kissen. Wir sind verschlafen, die Haut glüht noch von der Sonne des Vortags. Kapuzen tief ins Gesicht gezogen gegen die Morgenkühle. Die dunklen Silhouetten meiner Mannschaftskameraden liegen wie Steine auf dem Rasen.
Ihre Körper sind mir vertraut. Weil im Badeanzug nichts verborgen bleibt, weder Größe noch Form, ist die Umkehr spannend, die Körper in Kleidern zu sehen, wenn die Konturen von Muskeln und Gliedern verhüllt sind: wie jemand sich das T-Shirt in die Hose steckt oder nicht, Bündchen zuzieht, Hände in die Taschen steckt. Mir gefällt, wie die Jungen aussehen, wenn sie trocken sind, in langärmeligen T-Shirts und Jogginghosen, gekämmt und gescheitelt, wie in dem Song von Morrissey. Auf der Wiese hören wir das Meer auf der anderen Straßenseite. Um 5.52 Uhr kommen Byron und Linda über das feuchte Gras und schließen die Minivans auf. Wir quetschten uns alle hinein, und als wir die Straße zum Schwimmbad hinauffahren, werden wir gegeneinander und gegen die Fenster geworfen. Niemand spricht; wir wollen alle noch ein bisschen länger reglos bleiben.
Als wir im Barbados Aquatic Centre ankommen, sind die Lichter noch aus. Das Becken ist fünfzig Meter lang und liegt mitten auf einem großen Feld. Auf drei Seiten ist es von grellen Werbeplakatwänden umgeben, die fast drei Meter hoch sind. Selbst im Dunkeln leuchten auf Barbados die Farben. Manche der Plakate sind handgemalt, und der Ort fühlt sich unabgeschlossen und provisorisch an, optimistisch. Auf der vierten Seite sind die Tribüne und die Kabinen. Das kühle Wasser dampft. Wir schlurfen aufs Deck. Ich breite mein Handtuch auf dem taufeuchten Beton aus, um mich zu dehnen, verharrelänger als nötig in den Liegepositionen. Langsam gehen die Lichter an. Ich ziehe die Trainingshose aus, um mich mit Sonnencreme einzureiben. Mein Schwimmanzug ist noch feucht, und ich habe Gänsehaut an Armen und Schenkeln. Viele der Mädchen tragen bunte Tankinis, die sie sich für das Trainingslager gekauft haben; Lycrafelder in Lila, Gelb und Orange, Blumen und breite Streifen.
Das Aufwärmen besteht aus achthundert Metern Schwimmen, Beinarbeit, Armarbeit, Schwimmen. Wir haben dreißig Sekunden auf der Stoppuhr, um ins Wasser zu kommen. Wir lassen uns entweder langsam hinein und waten zum tiefen Ende, oder wir springen und schwimmen energisch, um uns aufzuwärmen. Innerhalb von zwanzig Sekunden sind alle im und unter Wasser.
Nach dem Einschwimmen steige ich aus dem Wasser, um auf die Toilette zu gehen. Als ich zurück zum Becken komme, bleibe ich stehen. Der Beginn eines tropischen Sonnenaufgangs rahmt die breite Treppe, die zum Becken führt, und den unteren Teil der Tribüne. Es sieht aus, als würde der Himmel mir ein Ständchen in Blau und Rosa bringen, intensives Himbeersirup-Rosa. Lollipop-, Prinzessinnen-, Kleinmädchenfarben. Ich habe noch nie so einen Himmel gesehen. Es ist wie optische Glukose.
Als wir mit dem Hauptteil des Trainings beginnen, geht die Sonne auf. Bis acht steht sie über uns, und die Reklametafeln um das Becken leuchten grell. Ich sehe sie beim Luftholen. Milo , zieh, zieh, Colgate , zieh, zieh, Pepsi , Sudsil , zieh, zieh, Carnation . Zwischen den Einheiten reiben sich ein paar Schwimmer die Nase mit Zinksalbe ein. Das Training im Trainingslager ist hart. Die Trainer verlangen mehr von uns als sonst im Jahr, und jeder weiß, dass der Schmerz in dieser Woche unerbittlich sein wird. Nach dem Training macht sich keiner die Mühe, sich umzuziehen: Wir ziehen T-Shirts und Shorts über das Schwimmzeug, quetschen uns in die Minivans, gelähmt vor Erschöpfung, aber gut gelaunt in Vorfreude auf ein paar
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