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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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EU-Länder. Bei Muslimen sei das anders.
Kämen sie nach Deutschland, sei das «eine gefühlte Landnahme». Die Richtigkeit
dieses Gefühls begründete Irmer mit der islamischen Theologie: «Der Islam ist
auf die Eroberung der Weltherrschaft fixiert.» Wer wie Frau Özkan der
EU-Mitgliedschaft der Türkei das Wort rede, leiste einen Beitrag zur
Islamisierung Deutschlands. Umgekehrt ergab sich aus dem Kampf gegen die
Islamisierung ein Maßstab für die deutsche Bevölkerungspolitik: «Wir brauchen
nicht mehr Muslime, sondern weniger.»
    Diese publizistische Intervention Irmers fand gar im
Jahresbericht des Außenministeriums der Vereinigten Staaten zur Lage der Religionsfreiheit
in der Welt Erwähnung. Als Indizien für die gesellschaftliche Diskriminierung
von Muslimen werden im Deutschland-Kapitel außerdem Kampagnen gegen
Moscheebauvorhaben und Schikanen gegen eine kopftuchtragende Lehrerin in
Rheinland-Pfalz aufgeführt. Es fällt allerdings nicht ins Auge, was die vom
Hessischen Landtag auf Antrag der Regierungsfraktionen CDU und FDP einstimmig
verurteilten Aussagen Irmers in der «Wetzlarer Neuen Zeitung» von früheren
Sprüchen des Alternativpressezars von Wetzlar unterscheidet, die Jahr um Jahr
unbeanstandet geblieben waren. Irmers These vom Muslim-Überschuss war die
Quintessenz der sozialmathematischen Nachtgedankenspiele Thilo Sarrazins. Die
Behauptung, die demographische Entwicklung gefährde die Souveränität
Deutschlands, hatte Sarrazin im «Lettre»-Interview in einen Merksatz gefasst:
«Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert
haben: durch eine höhere Geburtenrate.» Um die Vorabdruckrechte von
«Deutschland schafft sich ab» konnte der «Wetzlar Kurier» nicht mitbieten, aber
mit einem ausführlichen, Stelle für Stelle kommentierenden Artikel unter der
Überschrift «.. .und Sarrazin hat doch recht!» hatte Irmer das
«Lettre»-Interview zur Bibel der Gesellschaftspolitik erklärt. Sarrazins Jünger
unter den Anhängern der hessischen Regierungsparteien durften fragen: Wenn es
erlaubt, ja geboten war, die Wirkungen der Religion auf das Sozialverhalten zu
untersuchen, und wenn es erlaubt, ja geboten war, den ökonomischen Nutzen von
Bevölkerungsgruppen zu überschlagen, wie konnte man dann Irmers Schlussrechnung
verbieten wollen?
     
    Hochverratsanklage gegen Günter
Verheugen
     
    Jörg-Uwe Hahn, der von der FDP gestellte Minister für
Justiz und Integration, hatte Sarrazin im Februar 2010 nach Wiesbaden zu einer
Veranstaltung unter dem Motto «Freiheit, die ich meine» gebeten. Als Moderator
des Abends lobte Hahn seine Einladung an den beinahe entlassenen
Bundesbank-Vorstand als «klug». Es sei richtig, «kantigere Personen» zu Wort
kommen zu lassen und nicht nur solche, «bei denen nach zehn Minuten alle einer
Meinung sind». Es gebe eine «latente Angst» in der Bevölkerung, über die man
sprechen müsse, statt ein «Schweigegebot oder Denkverbot» zu verhängen. Die
Gesellschaft müsse aufpassen, «dass wir nicht glauben, wenn wir nur über Tatsachen
reden, sei das schon eine Diskriminierung». So machte sich Hahn, der als
Integrationsminister durchaus um den Beweis bemüht war, dass die Rückkehr der
FDP in die Regierung Folgen hatte, im Namen des liberalen Prinzips der offenen
Diskussion die Kritik der öffentlichen Meinung zu Eigen, wie sie der «Wetzlar
Kurier» von rechtsaußen seit achtundzwanzig Jahren propagierte. Keine Denkverbote!
Gemeint ist mit diesem Befehl das laute Denken. Der Effekt einer kommunikativen
Ethik des Freimuts um jeden Preis ist die Senkung von Hemmschwellen im Raum
der öffentlichen Rede. Nimmt man den Imperativ kategorisch, verhängt er selbst
ein Denkverbot. Die meisten Diskutanten in der zweiteiligen Sarrazin-Debatte
übernahmen die Sprachregelung, dass an den von Sarrazin ins Feld geführten
Tatsachen nicht gezweifelt werden konnte. Hahn wollte in Wiesbaden nur an der
Wortwahl des «Lettre»-Interviews Anstoß nehmen, an «verletzenden
Überspitzungen».
    Den Ausschlag dafür, dass Irmer in der
CDU-Landtagsfraktion nach seiner Attacke auf Aygün Özkan Empörung
entgegenschlug und Ministerpräsident Koch ihn zu einer öffentlichen
Entschuldigung aufforderte, gab zweifellos, dass er die staatsbürgerliche
Loyalität der aus türkischer Familie stammenden Befürworterin des türkischen
EU-Beitritts in Zweifel gezogen hatte. Eine in der Form noch schärfere Beleidigung
des sozialdemokratischen EU-Kommissars Günter

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