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Bahners, Patrick

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Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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in den Raum
stellte, war eines der übelsten Vorzeichen für den weiteren Verlauf der
Islamdiskussion. Volkswirtschaftliche Gründe hätten leidenschaftslos
vorgebracht werden können. Nein, man sträubte sich gegen das Bild, gegen die
humane Utopie der heiteren Festgemeinde, die unbehelligt ihren Gottesdienst
verrichtet, in zivilem Einklang mit den Nichtfeiernden, die die Gelegenheit
zur seelischen Erhebung anderweitig nutzen. Als solche ganz normalen Mitbürger
will man sich die Muslime nicht vorstellen. Vielleicht läuft ja im Gehirn von
Alexander Dobrindt beim Stichwort Islam wirklich die Dia-Show vom Untergang des
Abendlands ab: Kruzifixe futsch! Opferfest im Kalender! Dem Sog der Bilder
lieferte er sich jedenfalls aus, als er auf dem CSU-Parteitag 2010 fragte,
wohin die Grünen der neue Aufschwung der Protestkultur denn noch führen werde:
«Diejenigen, die gestern gegen Kernenergie und heute gegen Stuttgart 21
demonstrieren, die müssen sich dann auch nicht wundern, wenn sie übermorgen
irgendwann ein Minarett im Garten stehen haben, meine Damen und Herren!» Das
unsichtbare Verbindungsglied ist hier wohl ein Mittelalter, aus dem der
Stuttgarter Kopfbahnhof ebenso stammt wie der Koran und die von den Arabern
nach Spanien gebrachte Windmühlentechnik.
    Gelegentlich wird angenommen, Karlsruhe werde es
hinnehmen, sollte die Exekutive im Verfahren der öffentlich-rechtlichen Inkorporierung
vom Islam als Volksreligion eine innigere Loyalität fordern als von einer
Sekte. Wenn man nach der Einschätzung des Verfassungsrichters Udo Di Fabio
geht, ist diese Erwartung illusorisch. Durch das Zeugen-Jehovas-Urteil, so Di
Fabio gegenüber einer evangelischen Nachrichtenagentur, sei die Verfassungslage
geklärt. Erstens «muss ein entsprechender organisationsrechtlicher Zusammenhang
bestehen, beispielsweise mit einer Mitgliederliste und einem gewährleisteten
Austrittsrecht», und zweitens muss «Rechtstreue vorliegen, also die
grundsätzliche Anerkennung der staatlichen Ordnung», aber «keine besondere
Loyalität gegenüber dem säkularen Staat». Nach Di Fabio dürfte der Staat also
nicht, wie der Limburger Bischof ihm nahelegt, ein islamisches Konzil über die
Frauenfrage abwarten. «Wenn islamische Gemeinschaften diese Voraussetzungen
erfüllen und die Anerkennung wollen, wird unsere Rechtsordnung nicht
sagen.»
     
    Poetischer Sarrazinismus
     
    Mit der Behauptung, der Islam sei auf ein Programm der
Welteroberung festgelegt, brachte Hans-Jürgen Irmer die Überzeugung zum
Ausdruck, dass Muslimen die Anerkennung einer säkularen staatlichen Ordnung
grundsätzlich unmöglich sei. Hier traf die Rüge des Landtags einen Hauptsatz
der Islamkritik, für den sich auch gelehrte Autoritäten anführen lassen. So
erschien am 16. September 2006 im Feuilleton der «Frankfurter Allgemeinen
Zeitung» ein Aufsatz des Althistorikers Egon Flaig, den ich als betreuender
Redakteur mit der Überschrift «Der Islam will die Welteroberung» versah. Der
Essay provozierte heftigen Widerspruch von Islamwissenschaftlern. Einige
Kritiker nahmen schon am bestimmten Artikel Anstoß. Den Islam im Singular gebe
es nicht, nur eine Vielzahl von Erscheinungen unter diesem Namen, in
permanentem Wandel begriffen gemäß den Einflüssen von Ort und Zeit. Dieser
nominalistische Einwand, sehr beliebt in der akademischen Kritik der
Islamkritik, ist eine stumpfe Waffe. Der Versuch, ein welthistorisches
Phänomen wie Rom, den Islam oder den Kapitalismus auf einen welthistorischen
Begriff zu bringen, ist nicht von vornherein unwissenschaftlich. Eine
Offenbarungsreligion unterscheidet sich von anderen historischen Mächten
dadurch, dass sie ihrem Ursprung ausdrücklich verpflichtet ist. So ergibt sich
wie von selbst die Frage, ob in den Umständen der Stiftung eine Art Bewegungsgesetz
angelegt ist. Je allgemeiner allerdings eine geschichtswissenschaftliche
These, desto strenger wird die Kritik nach der empirischen Triftigkeit fragen.
Wäre Egon Flaig ebenfalls vom Hessischen Landtag gerügt worden, wenn er dessen
Abgeordneter gewesen wäre?
    In einer persönlichen Erklärung vor dem Landtag trug Irmer
die Entschuldigung vor, die der Ministerpräsident von ihm gefordert hatte. «Ich
muss einräumen, dass ich hier einen großen Fehler gemacht habe. Die
Formulierungen sind über das Ziel hinausgegangen. Ich nehme sie deshalb mit dem
Ausdruck größten Bedauerns zurück. Es war nicht mein Anliegen, in irgendeiner
Form pauschal irgendeine Weltreligion zu

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