Bahners, Patrick
Auffassung, dass der Islam die
Weltherrschaft anstrebe? Da der Hessische Landtag diese Aussage Irmers im
Zusammenhang anderer islamfeindlicher Äußerungen des Abgeordneten am 28. April
2o1o einmütig missbilligt hatte, musste der Regierungschef die Frage nicht
ausdrücklich verneinen. Stattdessen sagte er: «Man muss verstehen: Wenn von
Islam die Rede ist, erfahren unsere Bürger aus den Medien das in den letzten
Jahren in der Regel mit Blut, mit Terror und Tod. Die friedliche Religion des
Islam ist nicht das, was unsere Bürger wahrnehmen. Wenn Menschen ständig Angst
davor haben, dass sie irgendwo hochgebombt werden im Namen Allahs, dass sie
dann eine kritische Haltung zu diesem Thema einnehmen, ich glaube, das kann
jeder verstehen.» Bouffier war elf Jahre lang Polizeiminister. Er weiß, dass es
sehr unvernünftig ist, wenn Pendler in der S-Bahn nach Frankfurt ständig Angst
vor Bombenanschlägen haben - obwohl das Frankfurter Bankenviertel zweifellos
seinen festen Platz in den Szenarien islamischer Terroristen hat. Diese Angst
ist schon dann unvernünftig, wenn man sich nicht von jeder islamfeindlichen
Schlagzeile der «Bild»-Zeitung zusätzlich in Unruhe versetzen lässt. Ständige
Angst erhöht die Sicherheit nicht. Sie begünstigt die Kurzschlussreaktionen
und den Fehlalarm, sie zerstört das Alltagsvertrauen und das Selbstbewusstsein.
Dass die Bürger aber den Kreis der Angstobjekte auch noch ausdehnen auf die
Moschee, den türkischen Kulturverein und den arabischen Gebrauchtwagenhandel,
dazu sagt Bouffier nur, dass man es verstehen müsse.
Die Terrorfurcht, die seit dem n. September 2001 zum
Alltag gehört, ist nicht schwer zu verstehen. Jeder hat sie schon am eigenen
Leib erlebt. Der Islamwissenschaftler Stefan Weidner, ein Virtuose der
Vermittlung, beschreibt in seinem «Manual für den Kampf der Kulturen» über
viele Seiten, wie ihn in der Londoner U-Bahn der Anblick eines Manns in
Schrecken versetzte, der in aller Seelenruhe den Koran las. Dass sich seit dem
Sturz der Twin Towers auch der friedlichste Muslim kritische Fragen gefallen
lassen muss nach den Spielräumen der Koranauslegung und nach der Bedeutung der
antiwestlichen Kulturkritik für die intellektuelle Selbstvergewisserung der
modernen islamischen Welt, das ist ebenfalls nicht nur verständlich, sondern
unvermeidlich. Muslime empfinden diese Fragen manchmal als Zumutung. Aber es
sind zunächst einfach Bitten um Auskunft. Nichtmuslime wissen, dass es im Islam
kein höchstes Lehramt gibt, und halten sich an die Muslime, die sie kennen oder
treffen.
Man stolpert darüber, dass Bouffier die instinktive Abwehr
und das überschießende Misstrauen der verängstigten Bürger zur kritischen
Haltung nobilitiert. Haltung setzt doch ein gewisses Maß an Ruhe voraus, ein
Minimum an Selbstdistanz. Bouffier nimmt die Panik der deutschen Zeitungsleser
und Fernsehkonsumenten als gegeben hin, als die Grundtatsache der
Islamdiskussion, der Politiker ihre Beiträge anpassen müssen. Muslimischen
Repräsentanten würde ein solcher Defätismus gegenüber den Befindlichkeiten der
eigenen Klientel nicht nachgesehen. Wir verstehen zwar, dass ägyptische
Zeitungsleser, die in breitester Ausführlichkeit über die Kämpfe in Afghanistan
und die Lage in den Palästinensergebieten unterrichtet werden, einen Groll auf
den Westen kultivieren, den sie in der Regel mit Blut, Krieg und Tod
zusammenbringen. Aber wir erwarten von den Muslimen wenigstens im Westen, wo
die Presse frei ist, dass sie Anstrengungen unternehmen, die Indoktrinierung
zu überwinden. Und wenn muslimische Leser deutscher Zeitungen sich darüber
beschweren, dass über den Islam fast nur im Zusammenhang mit Terrorismus,
Ehrenmorden und Zwangsehen berichtet werde, dann erinnern wir daran, dass
Medien immer schlechte Nachrichten in den Vordergrund stellen, und weisen die
Beschwerde zurück. Mit wie gutem Gewissen eigentlich?
Wenn Bouffier recht hat, dann ist beim Thema Islam die
Alltagserfahrung vollständig vom Medienkonsum verdrängt worden. Ja, die
vorderen Seiten der Zeitungen und die Fernsehnachrichten haben sogar
verdrängt, was im Lokalteil und im Pfarrbrief steht. Auch wer persönlich keine
Muslime kennt (von 8000 Lesern, die sich an einer Umfrage von «Welt online»
beteiligten, hatten 54 Prozent gar keine Kontakte zu Muslimen), hätte
Gelegenheiten genug, die Alltäglichkeit des friedlichen muslimischen Lebens in
Deutschland wahrzunehmen. Auf die Frage nach seiner Meinung zu den Thesen
seines
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