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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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war.
«Fakt ist: Im gesamten Gesprächsleitfaden wird nicht einmal konkret nach der
Religion gefragt. Fakt ist: Die Anwendung dieses Gesprächsleitfadens ist in
keiner Weise auf bestimmte Staaten oder Personengruppen eingegrenzt.» Im selben
Sinne konnte Ministerpräsident Oettinger am 1. Februar 2006 im Landtag
behaupten: «Der Gesprächsleitfaden soll immer dann - und nur dann - zur Anwendung
kommen, wenn Zweifel an der Bejahung der Werteordnung unserer Verfassung
bestehen, und zwar unabhängig von der Religion des Bewerbers. Von einer
Stigmatisierung von Muslimen kann keine Rede sein.» Die von islamischem
Terrorismus bedrohten Regierungen hatten sich seit dem 11. September an die
Sprachregelung gehalten, dass es einen «Generalverdacht» gegen Muslime nicht
geben dürfe. Auf eine entsprechende Deutung des Leitfadens wollte Ulrich Noll,
der Fraktionsvorsitzende der FDP, in der Landtagsaussprache das vom
Koalitionspartner geführte Innenministerium verpflichten: Seiner Partei sei
«extrem wichtig», dass «eben nicht gegen Angehörige einer bestimmten
Religionszugehörigkeit möglicherweise ein Generalverdacht hineininterpretiert
wird». Der Presse warf Noll vor, den «Eindruck» zu erwecken, es sei «zu Beginn
der Diskussion möglicherweise anders gedacht gewesen, als es jetzt definitiv
klargestellt worden ist». Rech wies ebenfalls den Begriff des Generalverdachts
zurück. Dass die Mehrzahl der vertiefenden Gespräche mit Muslimen geführt
werde, erkläre sich aus ihrem Anteil an der Gesamtmenge der Bewerber.
     
    Cartesische Inquisition
     
    In Baden-Württemberg ist der Justizminister in
Personalunion der Ausländerbeauftragte (seit 2006: Integrationsbeauftragte) der
Landesregierung. Obwohl der freidemokratische Amtsinhaber, der Fachhochschulprofessor
Ulrich Göll, bei der Ausarbeitung des Leitfadens nicht hinzugezogen worden war,
exponierte er sich, indem er die Landtagsopposition zurechtwies: «Es ist gerade
nicht so, dass er nur oder in erster Linie gegenüber einer Gruppe zur Anwendung
kommt, bei der generell an der verfassungsmäßigen Einstellung gezweifelt wird.
Das ist nicht so.» Rech rühmte das Konzept seines Hauses als einen «gut
kartesianischen Ansatz». Der «Vater der modernen Philosophie und Wegbereiter
der Aufklärung, Rene Descartes», habe ebenfalls methodisch am Zweifel angesetzt.
An dieser Stelle verzeichnet das Landtagsprotokoll einen Zwischenruf Winfried
Kretschmanns, des Vorsitzenden der Grünen-Fraktion: «Da hat er aber den Selbstzweifel
gemeint, der Descartes!» Unbeirrbar verkündete der Minister, der im Bundestag
schon Petrarca zitiert hatte: «Aber keine Sorge! Wir gehen nicht so weit wie
Descartes, dass wir den Zweifel zur generellen Methode erheben.»
    In Wahrheit war der allgemeine, von jedem einzelnen
muslimischen Bewerber im Einzelgespräch auszuräumende Zweifel das Prinzip der
Prüfung anhand des Leitfadens. Der Generalverdacht ist nicht von der Presse in
die Fragensammlung hinein-, sondern vom Innenministerium hinausinterpretiert
worden. Aus dem im Anhang von Greils Buch dokumentierten Wortlaut der
Anweisungen an die lokalen Behörden geht das zweifelsfrei hervor. Maßgeblich
für die Handhabung des Leitfadens war nach dem Erlass vom 13. September 2005
das Protokoll der Besprechungen, die Greils Referat im Juni und Juli mit den
Einbürgerungsbehörden der vier Regierungspräsidien abgehalten hatte. Entsprach
das vom Antragsteller unterschriebene Bekenntnis zu den Hauptinhalten des
Grundgesetzes wirklich seiner Überzeugung? Das Protokoll hielt fest: «Zweifel
bestehen generell bei Muslimen». Das Gespräch war zu führen mit Bürgern der 57 Staaten der Islamischen Konferenz sowie mit Muslimen aus
anderen Staaten, ferner mit Fundamentalisten anderer Religionszugehörigkeit und
mit sonstigen verhaltensauffälligen Bewerbern. Für die beiden letzten Gruppen
wurde nur mit einer geringen Zahl von Fällen gerechnet. Die späteren
öffentlichen Erklärungen der Regierung stellten es als Selbstverständlichkeit
hin, dass bei vielen muslimischen Bewerbern die Frage nach der inneren
Übereinstimmung mit dem Grundgesetz nicht aufgeworfen werden müsse - wegen
offenkundig erfolgreicher Integration. Doch gerade ein solches an Tatsachen wie
Familienverhältnisse und Vereinsmitgliedschaften anknüpfendes Vertrauen durften
die Behörden nach dem verbindlichen Besprechungsprotokoll keinem einzigen
Muslim entgegenbringen. Aus der besonderen Autorität des Korans, der das ganze
Leben des

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