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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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eine
Erziehungsdiktatur herbeigeredet hatte, fiel ihr am Ende ein, dass sich die
Muslime ja selbst aufklären sollen. Plötzlich nahm sie das paternalistische Programm
zurück. «Ich kann ja auch nicht alles von den Europäern verlangen. Sie sind ja
nicht die erwachsenen Eltern, die jetzt über die Kinder wachen und die Kinder
erziehen sollen; sondern diese Kinder, die ich manchmal sehr verzogen finde,
müssen endlich erwachsen sein, um einen Platz in Europa als denkende Menschen
einnehmen zu können.»
    Zur Verteidigung eines Fernsehkrimis mit
Ehrenmord-Handlung hat Neda Kelek einmal zu bedenken gegeben: «Wenn wir genau
hinsehen, steckt in jeder Biographie eine ganze Welt.» Sie hat es ihr Glück
genannt, dass ihr Vater eines Tages einfach fort war und die Familie ihrem
Leben überließ. So soll auch der Islam aus der Welt verschwinden.
     
    KAPITEL 5
     
    «Hier isch die Fahrkart!» Der Muslim-Test in Baden-Württemberg
     
    Marinelli. Und können gehn!-Ja ,ja, das ist
das Ende vom Liede!
    und würd' es sein, gesetzt auch, ich wollte noch das
Unmögliche versuchen. –
    Das Unmögliche sag ich? - So unmöglich war' es nun wohl
nicht; aber kühn!
    Emilia Galotti, Dritter Aufzug, Erster Auftritt
     
    Am 1. Oktober 2003, eine Woche nach dem Kopftuchurteil des
Bundesverfassungsgerichts, erschien in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»
ein Gastkommentar von Michael Bertrams, dem Präsidenten des
Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen in Münster. Der kurze Beitrag wurde in den Pressespiegel
des badenwürttembergischen Innenministeriums aufgenommen und gelangte auf den
Schreibtisch des Leitenden Ministerialrats Rainer Grell. Mit Greils Lektüre
des Artikels von Bertrams begann, was der Beamte nach seiner Pensionierung in
einem im Internet publizierten Buch dargestellt hat: «Die Geschichte des
in Baden-Württemberg». «Muslim-Test», das war ein
journalistischer Name für den «Gesprächsleitfaden», dessen Verwendung eine zum
1. Januar 2006 in Kraft getretene Verwaltungsvorschrift des Stuttgarter
Innenministeriums den vierundvierzig Einbürgerungsbehörden des Landes
vorschrieb. Grell hält der Presse vor, dass sie mit dem Etikett «Muslim-Test»
den muslimischen Verbänden das Stichwort für den von ihm allerdings ohnehin
erwarteten Protest geliefert habe. Trotzdem übernimmt er die volkstümliche
Bezeichnung in Anführungszeichen in den Buchtitel. Aus dem Buch geht auch hervor,
dass sie zutreffend ist.
    Für die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg,
den Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und den Zentralrat der Muslime
in Deutschland verfasste der Bremer Rechtsanwalt Rolf Gössner eine
«Rechtspolitisch-gutachterliche Stellungnahme zum Gesprächsleitfaden für
Einbürgerungsbehörden in Baden-Württemberg». Grell verspottet den Gutachter
als typischen Achtundsechziger, dessen Obrigkeitskritik für den
Lebenszeitbeamten heuchlerische Attitüde ist («aller Staatsgewalt abhold,
gleichwohl Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten usw.»), vermerkt
aber positiv: «Die korrekte Bezeichnung unseres gleich im
Titel des Gutachtens stieß natürlich auf meine ungeteilte Sympathie.» Wenn
dieser Satz ironisch gemeint ist, haben wir es mit Selbstironie des Autors zu
tun. Man kann sich gut vorstellen, dass Grell das Deckblatt der Stellungnahme
tatsächlich mit Befriedigung zur Kenntnis genommen hat. Die richtige Verwendung
der Amtssprache war in seiner Welt ein Wert an sich. Grell rügt beispielsweise,
dass die Medien sorglos vom Erwerb nicht der Staatsangehörigkeit, sondern des
Passes sprechen. Der Ausdruck «Staatsbürgerschaft» ist ebenfalls falsch, das
ist der amtliche Terminus in Österreich. Der an die Einwanderungsbehörden verschickte
Fragenkatalog war nicht der «Fragebogen», von dem man in der Presse las; auch
musste er nicht abgearbeitet werden, sondern sollte den Beamten eben lediglich
durch das Gespräch mit dem Bewerber leiten. Der offizielle Begriff auf dem im
Übrigen natürlich parteiischen, schlecht gearbeiteten, eines Juristen nicht
würdigen Gutachten («Tut mir leid, Kollege Gössner!») verschaffte Grell
Genugtuung als Memento der Sachlichkeit in Tagen des entfesselten Unverstands.
    Freilich hat es etwas Erniedrigendes, in einer solchen
Formalie seinen kleinen Triumph suchen zu müssen. Grell macht sich in seinen
Denkwürdigkeiten abwechselnd klein und groß. Der Untertitel lautet: «30

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