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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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Fragen,
die die Welt erregten (nicht nur die islamische)». Grell sieht sich als einen
Beamten, der einfach seine Pflicht getan hat. Er legt Wert auf seine
Autorschaft an den dreißig Fragen und betont gleichwohl, dass er rechtlich
gesehen nur im Auftrag handeln konnte und sein vorgesetzter Abteilungsleiter
sowohl dem Projekt zustimmen als auch das Ergebnis abzeichnen musste. Die
Aufregung über sein Werk will er einerseits als maßlos und künstlich abtun,
andererseits legt er den Vergleich mit dem Karikaturenstreit nahe, dessen
globale Eskalation sich vorbereitete, während Deutschland über die badenwürttembergische
Handhabung des Staatsangehörigkeitsgesetzes diskutierte. Cem Özdemir richtete
eine Anfrage an die EU-Kommission, alle fünf Fraktionen der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates unterstützten eine Eingabe an das Ministerkomitee,
als Abgesandter der OSZE verlangte ein türkischer Botschafter einen Termin bei
Innenminister Heribert Rech - Stationen eines Papierkriegs, der Grell in den
Abendstunden seiner Laufbahn nicht mehr die philosophische Ruhe rauben konnte.
«Die Antwort des Ministerkomitees lag bis zu meinem Ausscheiden aus dem
aktiven Dienst noch nicht vor.» Mit einer Art Stolz erfüllt es ihn dennoch,
dass seine so sorgfältig vorbereitete Verwaltungsvorschrift in der
supranationalen bürokratischen Parallelwelt Aktivitäten allerhöchster Stellen
auslöste. Die drei Sonderberichterstatter zu zeitgenössischen
Erscheinungsformen von Diskriminierung des Hohen Kommissars der Vereinten
Nationen für Menschenrechte richteten einen Dringenden Appell an Bundesaußenminister
Steinmeier. «Ja, lieber Leser, der Arm des Islam reicht weit, viel weiter als
wir uns in unserer Schulweisheit träumen lassen (frei nach Shakespeares
Hamlet).»
     
    Saboteure im eigenen Haus
     
    Mehrfach bittet der Verfasser seinen lieben Leser um Nachsicht,
weil die vor ihm ausgebreiteten Vorlagen und Protokolle ihn langweilen könnten.
Wäre alles mit rechten Dingen zugegangen, müsste Greils Tätigkeit kein
Interesse beanspruchen. Er gibt zu, dass es ungewöhnlich ist, als Beamter eine
zweihundertdreißigseitige Rechtfertigungsschrift in eigener Sache zu
publizieren, zumal seine Sache seiner Überzeugung nach gar keiner
Rechtfertigung bedarf. Gerne hätte er den politischen Ruhm dem Minister
überlassen und den internen dem Abteilungsleiter. Aber seine Arbeit wurde
sabotiert. Am 1 3 .
September 2005 erließ das Innenministerium die Verwaltungsvorschrift zur Einführung
des Leitfadens. Am 17. Januar 2006 ließ das Ministerium einen zweiten Erlass
zur Erläuterung der neuen Vorschrift hinausgehen. Der Öffentlichkeit war der
Leitfaden allerdings schon in der von Grell aufgesetzten Pressemitteilung vom
14. Dezember 2005 erläutert worden. War der nachgeschobene Erlass zum Erlass
ein harmloser Fall von Papierverschwendung? Oder behandelte man die Vorschrift
als erläuterungsbedürftig, um sie auf dem Weg behutsamer Interpretation
stillschweigend aufzuheben? Dann könnte sich Tariq Ramadan, der Houdini der
Koranauslegung, von den Vorgesetzten des braven Grell womöglich noch ein paar
Tricks abschauen. Der von Grell gezeichnete Januar-Erlass gab den
Einwanderungsbehörden Empfehlungen zur Verwendung des Leitfadens und wies
darauf hin, dass ein Gespräch auch bei Antragstellern aus muslimischen Ländern
«vielfach» gar nicht «angezeigt» sein werde.
    Zwei Tage nach der Ausfertigung des Erlasses fand im
Bundestag eine von den Grünen herbeigeführte Debatte statt, in der Innenminister
Rech «Fehlinterpretationen und Missverständnissen» entgegentrat: «Unsere
Einbürgerungsbehörden sollen im Einbürgerungsgespräch den Leitfaden selbstverständlich
nicht nur in Gesprächen mit Angehörigen islamischer Staaten heranziehen. Auch
bei Bewerbern aus islamischen Ländern soll der Leitfaden keineswegs ausnahmslos
auf alle Bewerber angewendet werden. Wenn die Behörde annehmen darf, dass sich
der Bewerber zu unserer Verfassung bekennt, wäre ein Gespräch anhand des
Leitfadens überflüssig.» An diese Linie hielt sich auch Clemens Binninger, der
CDU-Abgeordnete für den Wahlkreis Böblingen, ein Polizist, der sich vom
Streifenbeamten zum Projektverantwortlichen des Innenministeriums für die
Einführung betriebswirtschaftlicher Instrumente bei der Polizei hochgearbeitet
hatte und vor seiner Wahl in den Bundestag ein Jahr lang Referent für Innen-
und Sicherheitspolitik im Staatsministerium unter Erwin Teufel gewesen

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