Bali Lombok
nun die furchterregende Göttin Kali als oberste Gottheit verehren, Anhänger des Krishna-Kultes sind oder sich in philosophischen Betrachtungen über das
Brahman
ergehen. Hindus kennen keine Dogmen, und so wird verständlich, wie der Hinduismus auf Bali so nahtlos mit den altmalaiischen Ahnenkulten und animistischen Anschauungen verschmelzen konnte.
Wie der indische so stellt sich auch der balinesische Hinduismus alles andere als einheitlich dar. Selbst Experten sind sich nicht einig, da sie zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Umständen ihre Feldforschungen angestellt haben. Denn auf Bali gleicht keine Zeremonie einer anderen, keine zwei Tempel sehen sich völlig ähnlich. Selbst Antworten auf religiöse Fragen und Erklärungen für rituelle Handlungen variieren von Person zu Person. Die Balinesen haben dafür den Ausdruck Desa, Kala, Patra geprägt: Ort, Zeitpunkt und Situation. Das bedeutet, was man über Bali in Erfahrung bringt, hängt davon ab, wann und wo und unter welchen Umständen man seine Beobachtungen macht und seine Fragen stellt. Immerhin gibt es doch einige grundsätzliche religiöse Konzepte, die für alle Hindu-Balinesen verbindlich sind, auch wenn der Grad des Verstehens von Person zu Person stark schwankt.
Sehr wichtig sind die Vorstellungen von einem geordneten Kosmos , der sich in einem ständigen evolutionären Prozess befindet. Das Universum ist nicht etwa eine chaotische Ansammlung von Energie und Materie, vielmehr hat jedes Teilchen in diesem Universum einen festen Platz. Jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze und jedes andere Objekt sind integrale Teile des Kosmos.
Das Dharma ist die Kraft, die die Ordnung im Universum und in den einzelnen Teilen des Universums aufrecht erhält und die Beziehungen zwischen den Teilen des Universums bestimmt. Ohne dieses Ordnungsprinzip würde das Universum ins Chaos zurücksinken, denn so, wie es eine ordnende Kraft gibt, so existieren auch überall im Kosmos entgegengesetzte Kräfte, deren Bestreben es ist, die Ordnung aufzulösen und zu zerstören. Der Idealzustand ist nur dann gegeben, wenn beide Kräfte im völligen Gleichgewicht stehen.
Die auflösenden Kräfte, genannt Adharma , können nie eliminiert werden, denn sie sind ebenso ein Teil des Universums wie das
Dharma
.
Gottheiten
Die ordnenden und die zerstörerischen Kräfte sind vereint im höchsten Gott Ida Sanghyang Widhi Wasa . Er steht jenseits von
Dharma
und
Adharma
. Er ist das Absolute, das Unfassbare und Unbegreifliche. Die Scharen der Götter und Göttinnen (Dewa und Dewi) sind die Manifestation seiner ordnenden Kräfte, so wie sich in den Dämonen (Bhuta und Kala) die zerstörerischen Kräfte personifizieren.
Sanghyang Widhis wichtigste und meistverehrte Manifestation ist die Dreigestalt der Trimurti , der Götter Brahma, Vishnu und Shiva. Brahma gilt als Schöpfergott, Vishnu als Erhalter und Shiva als der Zerstörer.
Von diesen dreien nimmt Shiva die zentrale Stellung ein. Obwohl er als Zerstörer bezeichnet wird, vereinigt er auch schöpferische Kräfte in sich, da Schöpfung und Zerstörung in einem endlosen Kreislauf miteinander verbunden sind. Shiva wird häufig mit dem höchsten Gott selbst identifiziert. Er ist der „Gott mit den 1008 Namen“ und repräsentiert die vielen Aspekte, in denen sich eine Gottheit zeigen kann. So ist Shiva z. B. der kosmische Tänzer
Nataraja
(= König des Tanzes) wie auch der Asket aus dem Himalaja oder ein wandernder Bettler. Shiva ist ebenso bekannt als der große Lehrer
Bhatara Guru
und als Vernichter von Dämonen oder als Gott des Sturms
(Rudra)
. Auf Bali wird Shiva mit dem Sonnengott
Surya
und mit
Mahadeva
, dem Gott des höchsten Berges, Gunung Agung, gleichgesetzt.
Vishnu , der Erhalter, ist die Manifestation von Güte und Gnade. Von seinen Inkarnationen erfreuen sich besonders diejenigen großer Beliebtheit, in denen er sich als menschgewordener Volksheld zeigt, nämlich als Rama, Held des Arjuna
Ramayana
, und als Krishna, Flöte spielender Hirte, unbezwinglicher Frauenheld und weiser Freund und Berater von Arjuna. Arjuna ist eine Figur aus dem
Mahabharata
: Im Laufe der Handlung dieses Epos führt Arjuna ein langes Gespräch mit Krishna. Diese Unterredung, bekannt als die
Bhagavadgita
, enthält die Quintessenz der hinduistischen Philosophie.
Arjuna
Jedem Gott ist meist eine Göttin als Gemahlin zugeordnet, die das weibliche, das dynamische Prinzip des Gottes verkörpert, seine Shakti , seine
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