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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Passage zwischen Stadiou- und Karajorgi-Servias-Straße.«
    »In den Psarros-Arkaden?«
    »Mhm, jetzt befindet sich ein Imbiß dort. Manchmal spielte ich auch auf Plätzen, aber meistens in der Passage, vor allem bei schlechtem Wetter. Bis zum Mittag spielte ich ernste Musik, Mozarts Adagio in E-Dur oder Sarasates Zigeunerweisen, ab und zu ein Stück aus Schumanns Violinsonate. Abends gab’s leichtere Kost: Wiener Walzer, Czardas und Tango. Eines Mittags hatte ich meinen Notenständer wieder im Arkadengang aufgestellt und spielte Kreislers Wiener Capriccio. Nach diesem Stück wollte ich nach Hause gehen. Da betrat eine junge Frau in einer sportlichen Jacke die Passage, ihre blonden Haare trug sie zurückgebunden. Die kleine Tasche in ihrer Hand war ein Flötenkasten, das erkannte ich sofort. Sie warf mir einen raschen Blick zu und ging weiter zur Karajorgi-Servias-Straße. Kurz darauf kam sie zurück, blieb stehen und hörte mir zu. Nach dem Stück trat sie auf mich zu. Guten Tag, ich bin Frida, sagte sie in gebrochenem Griechisch. Sie erklärte mir, sie sei Albanerin, habe in Tirana an der Musikschule Flötenunterricht genommen, spiele aber auch Klarinette. Und sie fragte mich, ob ich was dagegen hätte, wenn sie auch in der Passage spielte, nur zu anderen Zeiten.«
    Er machte eine bedeutungsschwangere Pause und spießte ein Stück Gyros auf seine Gabel, doch als er merkte, daß es schon kalt war, beschränkte er sich auf einen Schluck Bier.
    »Wir einigten uns darauf, nacheinander zu spielen. Einen Tag sollte ich vormittags und sie nachmittags spielen, am nächsten Tag umgekehrt. Wir trafen uns nur zu Mittag, sozusagen zur Wachablösung, und unterhielten uns, wieviel an dem Tag in der Passage los war und wieviel Geld wir eingenommen hatten. So vergingen zwei Monate, in denen ich sah, daß sie sich genau an unsere Abmachungen hielt. Da schlug ich ihr eine Zusammenarbeit vor. Nicht tagsüber, denn das hätte finanzielle Einbußen gebracht. Passanten geben gleich viel, ob man nun alleine oder zu zweit spielt. Doch am Abend, wenn in den Tavernen alle Nationen dieser Erde aufmarschieren und irgendwas verscherbeln wollen, hat es keinen Sinn, getrennt und hintereinander zu spielen. Die Leute sind genervt, weil sie ständig unterbrochen werden, und rücken nichts heraus. So begannen wir, abends zusammen aufzutreten … Griechische Lieder und südamerikanische Tangos … Walzer … Frida nahm meistens ihre Klarinette mit, und so spielten wir Volksmusik.« Er pausierte wieder, um noch einen Schluck Bier zu trinken. »Sie sind nie Einwanderer gewesen und können sich das nicht vorstellen, aber für uns Einwanderer ist ein Duo von Vorteil, ob nun in der Musik oder im Leben.«
    »Und so habt ihr beschlossen zusammenzuziehen«, sagte ich, um ihm zu zeigen, daß ich verstanden hatte.
    »Ja. Zunächst waren wir sehr glücklich. So, als wären wir endlich auf der Sonnenseite gelandet. Wir hatten eine kleine Bleibe im Souterrain gefunden, unterhalb des Attiki-Platzes, und uns dort wohnlich eingerichtet. Bis dahin hatten wir zu mehreren in Mietwohnungen oder zur Not auch in Lagerräumen gehaust.« Er dachte kurz nach und fügte hinzu: »Ich weiß nicht, vielleicht war die kleine Souterrainwohnung schuld.«
    »Zwei Tiger in einem Käfig!« bemerkte ich verständnisvoll.
    »Nein, schlimmer: zwei Musiker in einem Käfig!« verbesserte er mich. »Wenn man Tango, Walzer oder Volksmusik spielt, ist es einfach. Du sagst, das spielen wir ein bißchen schneller oder das ein bißchen lauter, um im Lärm der Taverne gehört zu werden, und das war’s dann. Aber wenn man ernste Musik in einer winzigen Souterrainwohnung spielt, der andere wie eine Klette an dir hängt und zu jeder gespielten Note seinen Senf gibt, dann wird’s problematisch. Kennen Sie Karol Szymanowski?«
    Unfreiwillig lachte ich auf. »Du verlangst ein bißchen viel. Bei Strawinski ist bei mir Schluß.«
    »Szymanowski war ein großer Musiker. Das kann ich sagen, denn Szymanowski stand am Anfang und auch am Ende meiner musikalischen Laufbahn.« Jetzt sprach er ganz abgehackt, vielleicht wollte er Spannung erzeugen, vielleicht aber versagte ihm auch die Stimme, und er mußte sich erst wieder fangen.
    »Ich habe mit Szymanowskis Violinsonate in D-Dur im Fach Kammermusik mit der Note »sehr gut« abgeschlossen. Als die Prüfung vorbei war, kam ein Lehrer nach dem anderen zu mir und gratulierte mir. Danach spielte ich diese Sonate immer mal wieder. Warum? Vielleicht, weil es mich

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