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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Lokal wieder. Als wir uns eines Abends vor der Taverne in Petralona trennten, stürzten sich ein paar Männer auf uns. Sie schubsten uns in einen Wagen und herrschten uns an, wir sollten den Mund halten. Wir fuhren kreuz und quer durch Athen, schließlich langten wir bei einer leeren Lagerhalle an. Ich glaube, sie lag unterhalb der Hochbahn nach Piräus. Dort packten sie zuerst mich, drückten meine Hände auf eine Eisenbank und brachen mir die Finger. Dann packten sie Frida, ritzten ihr die Fingerkuppen auf und drückten sie auf eine heiße Herdplatte. Danach ließen sie uns laufen. Sie wußten, daß wir es nicht wagen würden, den Mund aufzumachen.« Er pausierte kurz und fügte hinzu: »Nun wissen Sie, wie ich Schuhputzer wurde.«
    »Und wo ist Frida jetzt?« fragte ich.
    Er zuckte mit den Schultern. »Soviel ich weiß, arbeitet sie als Kellnerin in einem Café in Petroupoli.«
     
    Es war nicht schwierig, das Café zu finden. Frida war die einzige blonde Kellnerin im Lokal. Die andere hatte rotgefärbtes Haar. Christo hatte mir nicht erzählt, daß sie schön war. Vielleicht aus vornehmer Zurückhaltung, vielleicht auch, weil er fürchtete, ich könnte ihn für einen Dummkopf halten, daß er eine solche Frau wegen eines Streits um ein C oder ein Cis geopfert hatte.
    Sie stellte ein Glas Wasser vor mich hin und fragte mich nach meinen Wünschen. Ich bestellte einen Cappuccino und trank ihn ohne Hast aus. Ich rechnete mir aus, daß ein Grieche im Durchschnitt eine Stunde vor seinem Kaffee sitzt. Nach dieser Frist verlangte ich die Rechnung. Zusammen mit dem Geld legte ich ein kleines Trinkgeld und meine Karte auf den Tisch. Sie warf einen Blick darauf und gab sie mir zurück …
    »Das ist versehentlich beim Geld gelegen«, meinte sie bissig.
    »Nein. Ich weiß, daß du Flöte und Klarinette spielst.«
    Sie war verblüfft, und sie warf mir einen scharfen Blick zu.
    »Ich habe gespielt. letzt nicht mehr. Ich hatte einen Unfall.« Sie sprach fließend, mit demselben starken nordgriechischen Akzent wie Christo.
    »Du kannst aber doch unterrichten.«
    »Kennen Sie viele albanische Flötenlehrerinnen?« fragte sie sarkastisch.
    »Nein, aber ich kann dir einen Job anbieten.«
    »Als Tänzerin?« fragte sie im selben Tonfall wie vorhin.
    »Nein, als Musiklehrerin«, beharrte ich.
    »Wo?«
    »Das müssen wir in aller Ruhe besprechen. Wann endet deine Schicht?«
    Sie meinte, ich solle gegen neun in einem anderen Café in Aji Anargyri auf sie warten. Sie kam mit einer Viertelstunde Verspätung und setzte sich grußlos neben mich. An ihrem Blick konnte ich ablesen, daß ihr Mißtrauen in der Zwischenzeit nur noch größer geworden war.
    »Zunächst einmal: Woher kennen Sie mich?«
    »Du hast einmal in der Ermou-Straße in einer Band gespielt. Die haben mir von dir erzählt.« Die Erklärung klang überzeugend, und sie entspannte sich etwas. »Ich weiß, du hast Angst, jemand hätte schlecht von dir gesprochen. Aber selbst er hat nur Gutes gesagt«, fügte ich hinzu.
    Sie wollte sofort aufspringen und weglaufen, doch ich bekam sie am Handgelenk zu fassen. »Ich habe ihn zufällig getroffen«, erklärte ich sanft, um sie zu beruhigen. »Er arbeitet jetzt als Schuhputzer, und ich war ein paar Mal bei ihm. Er hat einen kleinen Kassettenrecorder neben sich stehen und hört ununterbrochen klassische Musik.« Ich wartete ihre Reaktion ab, doch sie beschränkte sich auf ein Kopfnicken und ein spöttisches Lächeln. »Ich habe ihm erzählt, daß ich jemanden suche, der behinderten Kindern Flötenunterricht geben kann, und er hat dich empfohlen. Christo hat mir von der Band erzählt, und dort habe ich nachgefragt.«
    »Und sonst hat er Ihnen nichts erzählt?«
    Ich zog es vor, bei der Wahrheit zu bleiben. »Doch, hat er. Er hat mir alles erzählt.«
    »Wenn das so ist, dann kann er nicht gut von mir gesprochen haben. Er glaubt, ein großer Violinist zu sein, während ich eine Albanerin bin, die nicht einmal die Flöte richtig halten kann.« Ruckartig streckte sie mir ihre Handflächen entgegen und zeigte mir die versengten Fingerkuppen. »Sehen Sie, was er mir angetan hat.«
    »Ich weiß. Ich habe auch seine gebrochenen Finger gesehen, wenn er versucht, beim Schuhputzen die Bürsten zu halten.«
    Sie hielt einen Augenblick inne, als versuchte sie sich Christo mit seinen Bürsten vorzustellen. Doch der Zorn gewann die Oberhand.
    »Er ist ein Egoist, wie alle schlechten Musiker«, beharrte sie. »Einmal hat er mich in ein Konzert der

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