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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Violinkonzert in C-Dur, den dritten Satz aus Bachs Violinkonzert in E-Dur, den Sommer aus den Vier Jahreszeiten und natürlich die Sonate von Szymanowski. Daß ich keinen Groschen verdiente, störte mich nicht. Ich wollte sie zur Weißglut treiben. Die anderen verdienten freilich auch weniger, weil die Passanten sich nicht entschließen konnten, wem sie ihr Kleingeld überlassen sollten. Daher zogen sie vor, es für sich zu behalten. Der Akkordeonspieler und der Bassist baten mich immer wieder zu gehen. Sie seien doch eine ganze Gruppe und könnten den Standplatz nicht so einfach wechseln, meinten sie, doch ich sei allein und könne überall spielen. Ich stellte mich taub. Wenn ich überall spielen konnte, konnte ich auch auf dem Gehsteig gegenüber spielen. Ich blieb also dabei, bis Frida eines Morgens nicht mehr da war. Sie hatten sie davongejagt in der Hoffnung, daß ich mich dann auch aus dem Staub machen würde. Und sie hatten sich nicht verrechnet: Ich ließ mich nicht mehr blicken.«
    Er hob sein Glas und leerte es in einem Zug. Kurz blickte er mich stumm an und fuhr fort: »Sollte es mir nun leid tun, daß sie ihren Job verloren hatte? Nein, es tat mir nicht leid. Es war doch ihre Schuld, daß ich davongejagt wurde, oder?« Er verstummte, als warte er ab, ob ich einen Kommentar dazu abgeben wollte, doch ich sagte nichts. Dann fuhr er mit einem bitteren Lächeln fort: »Sie hatte sich alles bei mir abgeguckt und verhielt sich genauso. Selbstverständlich spielten wir auch abends nicht mehr zusammen. Ganz wie früher spielte ich allein Czardas, Tango und Walzer. Eines Abends, als ich gerade in einer Taverne in Pangrati zu spielen begonnen hatte, öffnete sich die Tür, und Frida trat ein. Sie wartete das Ende des griechischen Tangos ab, den ich gerade spielte, und begann dann das Allegro aus Faurés Fantasie für Flöte. Die Gäste amüsierten sich zunächst darüber, doch als nach einem kleinen Walzer die Einleitung von Telemanns Flötenkonzert folgte, riefen sie: Aufhören! Ein Kellner schmiß uns hinaus, und wir gingen beide leer aus. Vor der Tür trennten wir uns wortlos, ohne uns anzublicken. Im tiefsten Innern wußten wir jedoch, daß das letzte und entscheidende Drittel der Partie angebrochen war. Vom nächsten Abend an tat ich genau dasselbe. Wir liefen uns immer wieder über den Weg, da wir in denselben Lokalen arbeiteten. Wenn sie einen Walzer auf der Flöte oder ein Volkslied auf der Klarinette blies, spielte ich Paganini. Und wenn ich einen Tango oder eine Operettenarie spielte, verlegte sie sich auf Vivaldi oder Bach. Ursprünglich wollten wir dem anderen das Spiel verderben, aber am Schluß ließen wir die Tangos, Walzer und Volkslieder ganz sein und spielten beide nur mehr Kammermusik, als sollten die Gäste vor ihren Lammkoteletts oder ihren Meerbarben entscheiden, wer von uns Bach, Paganini oder Telemann besser interpretierte. Doch die Gäste waren nur genervt und ließen uns hinauswerfen. Wir wollten ein Glas Wein trinken, dazu möchten wir keine klassische Musik hören, riefen sie. Seit wann hört man denn zu Ouzo Bach, dazu noch von Scheißalbanern gespielt? Wenn ihr wenigstens Theodorakis oder Chatzidakis spielen würdet, aber ihr haßt uns so sehr, daß ihr nicht einmal griechische Lieder spielen wollt! Erwartungsgemäß bekamen wir keinen roten Heller. Das wenige, das wir morgens verdienten, reichte gerade mal fürs Essen. Für Miete blieb nichts übrig, und so warf man mich alle naselang aus der Wohnung. Wir waren bald bekannt wie die bunten Hunde, und man setzte uns regelmäßig vor die Tür, doch am nächsten Abend waren wir wieder da. Mal war ich zuerst da und Frida fuhr mir dazwischen, mal umgekehrt. Selbst die Blumen- und CD -Verkäufer gingen uns aus dem Weg. Sie wußten, daß es Streit geben würde, und wollten nicht mit hineingezogen werden.« Wieder verstummte er und blickte mich an. »Wissen Sie, was zum Schluß passierte?« fragte er. »Ich kann es mir vorstellen. Ein Restaurantbesitzer oder ein Tavernenwirt hat euch auf dem Gewissen.«
    Er nickte zustimmend. »Ein Wirt in Petralona. Er hatte uns gewarnt: Kommt nicht mehr hierher, sonst brech ich euch alle Knochen, sagte er. Doch bei dieser Arbeit hört man hundert Drohungen pro Tag. Deshalb haben wir uns nicht darum geschert und sind weiterhin zwei- bis dreimal die Woche hingegangen. Normalerweise haben sie uns beide hinausgeworfen. Wir trabten wortlos raus, gingen in entgegengesetzte Richtungen und trafen uns im nächsten

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