Ball der Vampire
wirklich. »Wollen Sie nicht hereinkommen?«
»Danke, meine Liebe«, sagte er, und voller böser Vorahnungen trat ich zur Seite und ließ dieses Geschöpf in mein Haus hinein.
»Nehmen Sie doch bitte Platz.« Höflich wollte ich wenigstens bleiben. »Möchten Sie etwas trinken?«
»Nein, danke. Wollten Sie etwa gerade weggehen?« Stirnrunzelnd betrachtete er meine Handtasche, die ich auf dem Weg zur Tür auf einen Stuhl geworfen hatte.
Okay, irgendwas schien mir hier wohl entgangen zu sein. »Ja«, sagte ich und hob fragend die Augenbrauen. »Ich hatte vor, Lebensmittel einzukaufen, aber das kann ich auch noch eine Stunde oder so verschieben.«
»Sie haben noch nicht gepackt, um mit mir nach New Orleans zu fahren?«
»Was?«
»Haben Sie meinen Brief nicht bekommen?«
»Welchen Brief?«
Bestürzt starrten wir einander an.
»Ich habe Ihnen einen Brief meines Rechtsanwaltsbüros per Kurier zustellen lassen«, erklärte Mr Cataliades. »Sie hätten ihn schon vor vier Tagen bekommen müssen. Der Brief war mit Magie versiegelt. Niemand außer Ihnen kann ihn öffnen.«
Ich schüttelte den Kopf, meine verwirrte Miene machte jedes Wort überflüssig.
»Soll das heißen, dass Gladiola nicht hier gewesen ist? Sie hätte spätestens am Mittwochabend hier sein müssen. Nicht mit dem Auto allerdings, sie läuft lieber.« Eine Sekunde lang lächelte er nachsichtig. Doch das Lächeln verschwand sofort wieder. Hätte ich in dem Moment gezwinkert, wäre es mir wohl entgangen. »Mittwochabend«, sagte er noch einmal.
»Das war der Abend, an dem ich draußen etwas gehört habe«, erwiderte ich. Ich schauderte, als ich mich an die angespannte Atmosphäre dieses Abends erinnerte. »Es kam niemand an die Tür. Und es hat auch niemand nach mir gerufen oder versucht einzubrechen. Da war nur dieses Gefühl, dass sich da draußen irgendetwas bewegte. Die Tiere waren alle verstummt.«
Für einen so mächtigen Supra wie den Rechtsanwalt der Königin war es natürlich ganz und gar unmöglich, erschrocken auszusehen, doch er wirkte sehr nachdenklich. Einen Augenblick später erhob er sich schwerfällig, verbeugte sich vor mir und zeigte zur Tür. Wir gingen nach draußen. Auf der vorderen Veranda drehte er sich nach der Limousine um und winkte.
Auf der Fahrerseite stieg eine sehr schlanke Frau aus. Sie war jünger als ich, vielleicht Anfang zwanzig, und wie Mr Cataliades war auch sie nur zum Teil ein Mensch. Ihr dunkelrotes Haar stand in kurzen Igelstacheln vom Kopf ab, und ihr Make-up war anscheinend mit dem Spachtel aufgetragen worden. Selbst das auffällige Outfit der Teenagerin im Hair of the Dog verblasste im Vergleich zu dieser jungen Frau. Sie trug gestreifte Strümpfe in Knallpink und Schwarz, und ihre Stiefeletten waren schwarz und extrem hochhackig. Ihr Rock war ebenfalls schwarz, ziemlich durchscheinend und gerüscht, und ein ärmelloses pinkfarbenes Trägertop war das Einzige, was sie obenherum anhatte.
Mir stockte beinahe der Atem.
»Hi-wie-geht's-so?«, sagte sie gutgelaunt. Ihr Lächeln ließ zwei Reihen sehr scharfer, sehr weißer Zähne sehen, in die jeder Zahnarzt sich sofort verlieben würde - ehe er den ersten Finger verlor.
»Hallo«, sagte ich und hielt ihr die Hand hin. »Ich bin Sookie Stackhouse.«
Sie kam unglaublich flink auf uns zu, sogar in diesen lächerlich hochhackigen Stiefeletten. Ihre Hand war klein und knochig. »Freu-mich-Sie-kennen-zu-lernen«, entgegnete sie. »Diantha.«
»Schöner Name«, sagte ich, nachdem ich mir klargemacht hatte, dass das wirklich ihr Name und nicht eine weitere Aneinanderreihung halbverschluckter Silben war.
»Danke.«
»Diantha«, sagte Mr Cataliades. »Du musst jemanden für mich suchen.«
»Wen?«
»Ich fürchte, wir suchen nach den sterblichen Überresten von Gladiola.«
Die junge Frau hörte abrupt auf zu lächeln.
»Ohne Scheiß?«, sagte sie ziemlich drastisch.
»Ja, Diantha«, erwiderte der Rechtsanwalt. »Ohne Scheiß.«
Diantha setzte sich auf die Verandastufen und zog die Stiefeletten und die gestreiften Strümpfe aus. Es schien sie nicht zu stören, dass unter dem durchscheinenden Rock ohne die Strümpfe kaum noch etwas der Fantasie überlassen blieb. Weil Mr Cataliades nicht ansatzweise die Miene verzog, beschloss ich, dass auch ich abgeklärt genug war, es zu ignorieren.
Sie hatte ihre Sachen kaum abgelegt, da machte sich Diantha auch schon auf den Weg, dicht über dem Boden kriechend und in einer Weise schnüffelnd, die mir deutlich zeigte,
Weitere Kostenlose Bücher